Die musikalischen Rebellen

Die Band Panteón Rococó wehrt sich gegen gesellschaftliche Missstände

Ein wilder Haufen von zehn Musikern, ein wirbelndes Etwas, kontinuierliche Bewegung gegen den Stillstand – das ist Panteón Rococó. Die Band aus Mexiko tritt am Freitag, 9. September mit ihrem Album „Ofrenda“ als Nachklapp zum Hafensounds-Festival im Echaz-Hafen auf.

17.08.2022

Live-Mucke aus Mexiko mit Panteón Rococó. Bild: Jürgen Spieß

Live-Mucke aus Mexiko mit Panteón Rococó. Bild: Jürgen Spieß

So sexy kann Revolution sein. Der Aufstand der Zapatisten in Südmexiko im Jahr 1994 trat eine breite soziale Bewegung gegen den in Lateinamerika wütenden Neoliberalismus los, doch es entstanden auch zahlreiche neue Bands, die den Sorgen und Hoffnungen der betroffenen Bevölkerung musikalischen Ausdruck verliehen.

Eine davon war die im selben Jahr gegründete Truppe Panteón Rococó aus Mexiko-Stadt, die sich nicht nur als Musikgruppe verstand, sondern vor allem als politisches Kollektiv. Bekannt wurden die musikalischen Rebellen mit dem Album „Companheros Musicales“ – einem Werk, das politische Themen wie etwa die Zapatisten-Bewegung und den Kampf um die Rechte der indigenen Bevölkerung Mexikos mit enormer Leidenschaft in den Mittelpunkt stellte.

In den Jahren vor der Pandemie gaben die selbsternannten Revolutionäre aus Mexico City alleine in Deutschland weit mehr als 500 Konzerte und avancierten vom Insidertipp zum Massenphänomen. Zu ihrem 25-jährigen Bandjubiläum im Dezember 2021 schaffte es Panteón Rococó sogar, drei Mal in Folge das Stadion Foro Sol in Mexico City mit insgesamt 150 000 Besuchern zum Beben zu bringen.

Die Musik der Lateinamerikaner ist eine brodelnde Mixtur aus Punk, Ska, Reggae, Mariachis und ausgefeilten Cumbia-Stücken. Die Texte sind eine offene Anklage gegen Missstände und Rassismus, die insbesondere in ihrer Heimat herrschen. Dort legt sich die Band gerne mit der Politik an, unterstützt die unterdrückte Bevölkerung, bekennt sich zur Guerilla-Bewegung der Zapatisten und rührt damit in so manchem sozialen Pulverfass.

Gewalt und Korruption sind ebenso Themen in den Liedern wie die zunehmende Armut der mexikanischen Unter- und Mittelschicht. Zu diesem unterprivilegierten Bevölkerungsanteil gehörten der charismatische Sänger Luis Dr. Shenka und seine Mitmusiker zu Beginn ihrer Karriere selbst.

Kapital, um ein eigenes Album aufzunehmen, war nicht vorhanden, selbst für Instrumente fehlte das nötige Kleingeld. So mussten sich die Bandmitglieder die dringend benötigten Mittel von Verwandten und Freunden zusammenborgen. Mittlerweile hat die Band seit 1997 zwölf CDs veröffentlicht, etliche Goldene Alben und Awards gewonnen und ist bei den bekanntesten Musikfestivals weltweit aufgetreten.

Garanten für ihren steilen Erfolgskurs sind ihre Partytauglichkeit und ihre Vielseitigkeit: Reggae, Ska, Tango, Rumba, Cumbia, Merengue und Mariachi – alles geht bei den Musikern in einem Knäuel aus Klang, Energie und Rhythmus auf. Ein Konglomerat, in dem Fans binnen Minuten alles um sich herum vergessen und zu einer ausgelassen tanzenden Einheit werden. Spielfreude und Energie prägen diese Musik, während sich die Texte über Ungerechtigkeiten und Machtmissbrauch der politischen Elite auslassen. Der Glaube an die revolutionäre Kraft von Rockmusik wird hier nicht nur besungen, sondern scheint tief verwurzelt im Gesellschaftsbild jedes einzelnen Musikers.

Die Musik bezieht sich zwar auf die regionalen musikalischen Traditionen Mexikos, ist aber gleichzeitig international. Im schnellen, wirbelnden Zusammenspiel von Gitarren, Bläsern, Schlagzeug, Keyboard, Perkussion und Bass gibt Panteón Rococó den Zuhörern das Gefühl zurück, dass Musik tatsächlich die Welt verändern kann.Jürgen Spieß

Panteón Rococó spielt am Freitag, 9. September, ab 19.30 Uhr im Reutlinger Echaz-Hafen.

Als Vorband treten die Tübinger Pantasonics auf.

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Erstellt:
17.08.2022, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 17.08.2022, 01:00 Uhr

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