Rekordernte auf der Alb

Die Bauern trotzten der Dürre mit neuen Getreidesorten

Eine erste Bilanz der Getreideernte von Werner Unsöld fällt hochzufrieden aus. „Im Schlaraffenland könnt’s nicht besser sein“, freut sich der Seniorchef der Unsöld-Mühle in Gültstein.

15.08.2018

Von Fred Keicher

Der Grannenweizen kommt mit Trockenheit besser zurecht als andere Sorten. Zudem wird er früher reif und entzerrt die Ernte. Bild: Michelsburg/LTZ Augustenberg

Der Grannenweizen kommt mit Trockenheit besser zurecht als andere Sorten. Zudem wird er früher reif und entzerrt die Ernte. Bild: Michelsburg/LTZ Augustenberg

Auch Katharina Weiß vom Amt für Landwirtschaft des Landratsamtes in Tübingen berichtet von Rekordernten ausgerechnet auf der rauen Alb. Dort regnete es im Frühsommer noch einmal kräftig. Auf den flachgründigen Böden im Neckartal gab es teils kräftige Einbußen. Gute bis sehr gute Ernten verzeichnete das Gäu mit seinen tiefgründigen Böden.

Am Mais kann man diese Standortunterschiede auch im Moment noch nachvollziehen. Oben im Gäu bei Wolfenhausen etwa sind die Maisfelder saftig grün. Unten im Neckartal bei Rottenburg werden sie langsam gelblich braun. Auch hier beobachtet Weiß eine sehr deutliche Verfrühung der Entwicklung. Das Stadium der Milchreife habe der Mais schon Anfang August erreicht. Üblich sei dafür in den vergangenen Jahren Ende August gewesen.

„Es trifft nicht alle gleich“, kommentiert Weiß die Situation. Unsöld weiß, dass es Unterschiede von Ortschaft zu Ortschaft gibt und ganz groß ist der Unterschied zwischen den Anbaubedingungen am Schönbuchrand und im Ammertal im Vergleich zu denen im Gäu.

Unsöld setzt seit über 20 Jahren schon auf Grannenweizen. Das ist eine Sorte, die aus Frankreich stammt. In sie wurde ein Gerstenanteil eingekreuzt. Daher hat sie die für Gersten typischen Grannen. Sie kommt deutlich besser als andere Weizensorten mit Trockenheit zurecht. Das Mehl, das der Grannenweizen liefert, sei von guter Qualität, sagt der Müller Unsöld.

Das Landwirtschaftsamt empfiehlt Grannenweizen für alle Standorte, „bei denen mit Frühsommertrockenheit zu rechnen ist“, sagt Weiß. Sie schätzt, dass jetzt etwa auf einem Viertel der Weizenflächen im Kreis Grannenweizen angebaut wird. Er wird nicht so hoch wie herkömmliche Weizensorten und die Grannen verschaffen ihm einen Assimilationsvorteil: Sie bleiben länger grün, daher läuft die Photosynthese länger. Grannenweizen ist früher reif und entzerrt die Ernte.

Uwe Frank ist Jäger in Neustetten und weiß einen ganz anderen Vorteil des Grannenweizens: Die Wildschweine meiden ihn (wie auch die Gerste), weil sie sich an den scharfen Grannen die Rüssel aufschneiden. Deshalb säen ihn die Bauern gerne auf Felder, die an Wälder angrenzen. Das entspanne das Verhältnis von Bauern und Jägern deutlich, sagte Frank.

„Man weiß ja nicht, was kommt“, beschreibt Weiß die Situation, vor der die Bauern jedes Mal bei der Aussaat stehen. Die Aussaat von Grannenweizen ist ein Beitrag zur Risikostreuung. In regenreichen Jahren bleibe er hinter den Erträgen anderer Weizensorten zurück. Das Amt rate aber den Landwirten aus Vorsicht zu einer „wassersparenden Bodenbearbeitung“: „Jede Bodenbearbeitung verbraucht Wasser, das Pflügen extrem viel.“

Im Sinne der biologischen Vielfalt sei es laut Weiß wünschenswert, wenn möglichst viele verschiedene Getreidesorten angebaut würden. Die Müller selber hätten gerne große Partien einzelner Sorten, aus denen sie dann ihre Mehle zusammenstellen könnten. An der Produktionskette seien mindestens vier Parteien mit völlig unterschiedlichen Interessen vertreten: Die Bauern wollen ihr Auskommen haben. Die Müller ein Mehl, das sie gut verkaufen können. Die Bäcker ein Mehl für gute Backwaren und der Konsument schließlich ein lockeres und leckeres Brot.

Bald könnte es Mehl in allen möglichen Farben geben, berichtet Marc Kienzlen von der Unterjesinger Mühle. Seine Bauern von TüKorn bauen inzwischen auch Purpurweizen und Gelbweizen an. Gelbweizen erlaubt der sprichwörtlichen schwäbischen Hausfrau, beim Spätzlemachen Eier zu sparen. Sie werden trotzdem gelb. Das Mehl gibt es auch in der Unsöldmühle. Gelbweizen ist ein Weichweizen. Er enthält soviel Lutein wie der Hartweizen, der allerdings bei uns nicht wächst. Fred Keicher

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15.08.2018, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 15.08.2018, 01:00 Uhr

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