Lärmende Elektropop-Brigade

Die Berliner Band Großstadtgeflüster spielt beim Tanks-Giving-Festival

Die Texte von Großstadtgeflüster drehen sich oft um Themen wie persönliche Freiheit und ein Leben abseits der Norm: Am morgigen Donnerstag kommt das Berliner Elektropoptrio nach Tübingen und tritt beim Tanks-Giving-Festival in der Panzerhalle auf.

14.07.2021

Sängerin Jen Bender von Großstadtgeflüster. Bild: Spieß

Sängerin Jen Bender von Großstadtgeflüster. Bild: Spieß

Der Dancefloor schreit, der Elektropop lässt die Sirenen singen: Effekte und Computerbeats wabern, grell und hektisch blitzen farbige Silhouetten durch den Konzertsaal. Das Klangbild des aus Berlin stammenden Trios ist wüst, die Rhythmen sind wild. Auch eine Spur Punkgeist ist immer mit im Spiel bei diesen lärmenden Elektropop-Brigaden.

Großstadtgeflüster treffen exakt jene Art Zeitgeist, den viele – zumindest vor der Coronakrise – mit dem neuen Berlin verbunden haben: Eine fröhlich-rabaukige Spaßgesellschaft, die ihre Partys in leer stehenden Kaufhäusern und angeranzten Ladengeschäften im Berliner Szenebezirk Mitte feiert. Sängerin Jen Bender, Keyboarder Raphael Schalz und Drummer Chriz Falk spielen lustvoll mit diesen Klischees und verbreiten mit ihren angesagten Elektropop-Sounds bei der am Donnerstag hoffentlich auf Abstand tanzenden Fangemeinde vor allem gute Laune.

Hymnischer Elektropop trifft da auf ein schrill übersteuertes Keyboard und auf schnurgerade digitale Beats. Dazu dieses energiegeladene Auftreten von Sängerin Jen Bender – dieser Mix ist zwar nicht neu, jedoch die Art und Weise, wie ihn Großstadtgeflüster präsentieren. Die Berliner, die das Meckern über bestehende Verhältnisse zu ihrer Lebensphilosophie erkoren haben, demonstrieren, wie man gnadenlos rockig und zugleich elektronisch klingen kann. Obwohl die Band nur zu dritt ist, hat man das Gefühl, der Klang ströme aus allen Ecken. Knallende Beats und euphorische Clubsounds treffen bei dem Trio auf melodischen Elektropunk, und dazu macht Frontfrau Jen Bender deutliche Ansagen.

Auch kultivieren die drei jungen Post-Rebellen gerne die berauschende Vergangenheit einer abgefahrenen Disco-Herrlichkeit. Das Keyboard pathosumwölkt, das raubeinige Schlagzeug unerbittlich, der Gesang lässig bis gnadenlos gebrüllt, tauchen die Musiker mit ihren meist kunterbunten Kostümen und Bemalungen ihre Fans in einen lärmenden Strom der Anspielungen. Vor allem für Liebhaber von schrägen und partyseligen Klängen ein echtes Highlight. Die Band, die viele Stücke des kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie erschienenen Albums „Trips & Ticks“ präsentieren wird, beschert ihren Fans ein hartes, verspieltes, atmosphärisches und vor allem hochenergetisches Konzert. Die nachgespielten Remixe und das Trash-Keyboard aus den Anfangstagen haben zwar nur noch einen Randplatz, dafür dominieren nun die E-Gitarren und der Gesang von Frontfrau Jen Bender.

Im Mai 2006 veröffentlichte die Band ihr Debütalbum „Muss laut sein“ bei X-Cell Records. Im April 2008 folgte die CD „Bis einer heult!!!“ auf dem eigenen Label Chicken Soup Records. Das dritte Album „Alles muss man selber machen“ erschien Ende April 2010. Der endgültige Durchbruch gelang mit der vierten Scheibe „Oh, ein Reh!“ im Juni 2013 beim Fanta-4-Label Four Music.

Die auf Deutsch gesungenen Eigenkompositionen wie „1000 Tonnen Glück“, „Konfetti und Yeah“ und „Haufenweise Scheiße“ wirken trotz aller Power melodisch und extrem gut tanzbar. Während sich viele Stücke auf dem aktuellen Album ziemlich ähnlich anhören, will das Trio live zeigen, was es heißt, ein Festival zu rocken und leidenschaftlich in seiner Musik zu versinken.

Wer nicht gut drauf ist, dem kann ein Konzert von Großstadtgeflüster durchaus Abhilfe schaffen, denn trotz des kollektiven Wirklichkeitsverlusts, den manche Textzeile verursachen kann, sind die drei eines gewiss nicht: aufgesetzt.Jürgen Spieß

Großstadtgeflüster spielen am Donnerstag, 15. Juli, 20 Uhr, in der Tübinger Panzerhalle.

https://tanks-giving.de/

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Erstellt:
14.07.2021, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 14.07.2021, 01:00 Uhr

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