Klein und fein – das Modell Felldorf

Die Fußballer der SG Felldorf-Bierlingen spielen in der Bezirksliga richtig groß auf

Eine der kleinsten Ortschaften der Region spielt seit nicht allzu langer Zeit in der Fußball-Bezirksliga Nördlicher Schwarzwald. In den vergangenen Jahren schrieb der SV Felldorf-Bierlingen eine regelrechte Erfolgsgeschichte.

23.12.2020

Der SG Felldorf-Bierlingen ist gut aufgestellt: Hier bei der Fußball-Bezirksliga im September 2020 gegen den SV Mitteltal / Obertal. Jan Pfeffer (SG Felldorf, Mitte rechts) im Einsatz.  Bild: Ulmer

Der SG Felldorf-Bierlingen ist gut aufgestellt: Hier bei der Fußball-Bezirksliga im September 2020 gegen den SV Mitteltal / Obertal. Jan Pfeffer (SG Felldorf, Mitte rechts) im Einsatz. Bild: Ulmer

Dabei gab es eine Zeit, in der der SV Felldorf gar keinen Fußball mehr betrieb – und das für fast 20 Jahre. Doch 2009 änderte sich alles. Denn da wurde der Spielbetrieb wieder aufgenommen. „Wenn man zu lange gar nichts mehr macht“, sagte der 1. Vorsitzende Günther Dohl, „dann wird man irgendwann gar keine Kicker mehr aus dem eigenen Ort bekommen und dann ist es vorbei mit dem Fußball.“

Dohl ist seit 2005 1. Vorsitzender, den Posten teilt er sich mit Stefan Straub. „Wir zwei, das passt perfekt zusammen“, meinen die beiden. Die Erfolge geben ihnen offensichtlich recht. Denn wenn ein Dorfverein mit gerade einmal um die 750 Einwohnern in der Bezirksliga kickt, wie zum Beispiel auch die Kicker vom TuS Ergenzingen, dann ist da vieles gut gemacht worden.

Traditionsverein

Beim SV Felldorf handelt es sich um einen echten Traditionsverein. Gegründet wurde er 1911 als SV Corso Felldorf. Damit ist er nicht nur der älteste einschlägige Dorfverein weit und breit – auch der erste Kickclub in der Nachbarstadt Rottenburg entstand erst zehn Jahre später.

Offenbar war der frühe Aufbruch des kleinen Felldorf ins große Fußballzeitalter das Werk eines einzigen Mannes. Johann Hetzel, so vermeldet die Vereinschronik, kam beim Militärdienst mit dem Fußball in Berührung und wollte auch nach der Rückkehr ins heimische Dorf nicht von ihm lassen. Corso nannte sich also die im September 1911 gegründete Spielgemeinschaft, deren altes Vereinsschild heute noch im Felldorfer Vereinsheim hängt. Tradition verpflichtet.

Trikots selbst gekauft

Es gab von Anfang an keinen Mangel an Gleichgesinnten – also an Spielern. Das hing natürlich auch damit zusammen, dass Felldorf bis auf Weiteres der einzige Fußballverein und somit konkurrenzlos war.

So ging es Sonntag für Sonntag auf den Sportplatz vor den Toren des Ortes und zwei Teams spielten gegeneinander. Wie man auf den alten Bildern sehen kann, unterschied sich die Fußballerkleidung auf dem Platz noch gehörig von den Outfits heute: Damals trug man noch lange Hosen, die, nun ja – eher wie Unterhosen ausschauten. Das Trikot über den Hosen war blau.

Aber nicht nur die Kleidung, die sich die Sportler für damals 20 Goldmark-Pfennige leisteten, war professionell. Das Team hatte sogar zwei Trainer, die aus Horb stammten und die Kicker betreuten und anleiteten. Der Erste Weltkrieg war eine Zäsur, aber unverzüglich machten die Felldorfer nach dem Krieg weiter.

Eine neue Generation

Geld war leider keines da, die Inflation hatte alles gefressen. Selbst die Anschaffung eines Balles ließ sich nur mit Naturalien finanzieren: Die Spieler sammelten „Stumpen Getreide von Vaters Bühne“, fuhren nach Horb und bezahlten das runde Leder damit.

Im Zweiten Weltkrieg entgingen sie nur knapp einen Verbot durch die Nazis, und danach drängte die leidige Sportplatzfrage. Denn der bisherige Platz wies eine so starke Krümmung auf, dass sich ein Tor vom anderen nicht einsehen ließ. Trotzdem kaufte der SV das Gelände und baute es zum Sportplatz aus. 1953 war Einweihung, ein Markstein in der Vereinsgeschichte.

Rückschläge

Immer wieder hatte der Verein mit Rückschlägen zu kämpfen. So mussten sie den Verein 1956 aus der Liga abmelden: Zu wenige Spieler. Bloß eine AH kickte noch in Felldorf. 1971 ging es weiter und gleich gelang der Aufstieg von der (damaligen) C- in die B-Klasse.

Doch leider schlug das Schicksal eine Volte: 1989 reichten die eigenen Spieler wieder nicht aus, um eine Mannschaft auf den Platz zu bringen. Entsprechend gab es immer wieder Kooperationen mit anderen Starzacher Vereinen wie mit dem SV Wachendorf oder den Bierlingern. Allzu lange hielten diese Kooperationen aber auch nicht.

Neuanfang mit Erfolg

Und dann kam die Saison 2009. Die Felldorfer schickten wieder ein Team an den Start. Die ersten beiden Saisons endeten jeweils auf dem letzten Platz der Liga. „Wir brauchten Zeit für den Aufbau“, so die Vorstände. Trotzdem war die Euphorie im Flecken groß, das zeigten auch die Zuschauerzahlen.

Und tatsächlich: Im Jahr 2012/13 wurden die Felldorfer Meister der B-Klasse. „Die Party danach war gigantisch“, schwärmt Dohl noch heute davon. Dann wurde in Felldorf erst mal durchgeatmet, Kreisliga A gespielt und das von Beginn an erfolgreich.

So verwunderte es Fußballkenner nicht, dass die Felldorfer über im Jahr 2016 erneut eine Meisterschaft einfahren konnten, sich während der ersten drei A-Liga-Jahre über die Plätze 6, 3 und 2 hangelten. Und das bedeutete den endgültigen Aufstieg in die Bezirksliga. Noch im Aufstiegsjahr wurden für das Abenteuer Bezirksliga die „entscheidenden Weichen gestellt“, sagt Dohl.

Aufstieg und Fusion

Und das war die Fusion mit dem Nachbarort Bierlingen. Die Kicker dort spielten zwar „nur“ in der Kreisliga B, „aber die Bierlinger hatten viele tolle Fußballer“, so die Felldorfer Vereinsleitung. Sie waren jedenfalls froh darüber, dass diese Zusammenarbeit zustande kam. Es hätten gleich sechs oder sieben Bierlinger Spieler den Sprung ins Bezirksligateam geschafft, heißt es. Auch die Spieltage sind geregelt. Im einen Jahr wird auf Felldorfer Rasen gespielt, aber trainiert wird in Bierlingen. Im Jahr drauf wird getauscht.

Ein neuer Sportplatz

Dabei ist es den Felldorfern tatsächlich gelungen, mit annähernd 90 Prozent Eigenleistung einen veritablen neuen Sportplatz zu bauen. Geplant war, dass man das Spielgelände in Parzellen aufteilt und die Bürger/innen je eine Parzelle kaufen, also spenden können. Durch Corona geriet das ein wenig ins Stocken.

„Aber wir machen später weiter mit dem Verkauf“, verkünden die Felldorfer. Die Anlage ist übrigens vom Allerfeinsten. Das Flutlicht hat LED-Beleuchtung, die Bewässerung wir per App vom Handy aus gesteuert.

Erfolgreiche Bezirksliga

Vor allem aber läuft es sportlich exzellent. In der Bezirksliga belegen sie derzeit den dritten Platz. Sie haben noch zwei Nachholspiele im Vergleich zum Tabellenführer Baiersbronn. Gewinnen sie die, sind sie Tabellenführer. Was würde eigentlich passieren, so die Frage, wenn sie tatsächlich aufstiegen?

„Dann spielen wir halt Landesliga“, sagt ein überzeugter Vorstand, „davor haben wir keine Angst.“ Vor allem haben sie auch einen großartigen Kader, qualitativ und quantitativ. Sie hätten kaum einmal weniger als 30 Spieler im Training, zu Beginn der Saison seien es sogar 40 gewesen. Und mit Thomas und Lukas Baur haben sie zwei herausragende Spieler im Team. „Wir funktionieren vor allem als Mannschaft“, meint dazu Dohl. Und mit Michael Müller haben sie einen Trainer, der zum Team passt. Was ebenfalls für die Felldorfer spricht: Die Kontinuität in Vorstand und Ausschuss gibt Sicherheit. „Seit ungefähr 20 Jahren besteht diese Konstellation – und es gab noch nicht einmal internen Streit“, berichtet Dohl stolz.

Bestens aufgestellt

Um die Zukunft machen sie sich deshalb keine Sorgen, auch weil es mit dem Nachbarn Bierlingen so toll klappt. Außerdem melden sich immer wieder Spieler von außerhalb, die nachfragen, ob sie kommen können. Vielleicht haben sie erfahren, dass es jeden Sonntag nach dem Spiel ein Mittagessen für die Kicker gibt – von den fleißigen Felldorfer Bürgern eigens für ihre Kicker gekocht.

Und auch die Stimmung bei den Spielen ist perfekt: „Weniger als 200 Zuschauer haben wir nie“, heißt es, „meistens sind es mehr als 250, aber auch mal 400.“ Vor allem ist das Interesse bei den Bierlinger Einwohnern und denen in Felldorf ähnlich stark. Aber nicht nur von ihnen wird der „neue“ Verein bestens angenommen. „Auch die Spieler ziehen voll mit“, so Günther Dohl. Immer wenn es darum gehe, im Ehrenamt etwas für die Flecken zu erledigen, seien die Kicker vorne dabei: Dafür sorge „ein Riesenzusammenhalt.“ Werner Bauknecht