Was wir vom Wald wollen

Die Hochschule für Forst zeigte in einem Symposium ihre große Bandbreite

Einen umfassenden Einblick in ihr Tun bot die Hochschule für Forstwirtschaft Ende Januar bei einem Symposium in der Rottenburger Festhalle. 400 Interessierte kamen – die meisten waren als im und mit dem Wald Arbeitende erkennbar.

05.02.2020

Riesenräder und großes Gewicht – die Holzernte mit dem Harvester-Vollernter ist eines der umstrittensten und emotionalsten Themen beim Wald. Archivbild: Klaus Franke

Riesenräder und großes Gewicht – die Holzernte mit dem Harvester-Vollernter ist eines der umstrittensten und emotionalsten Themen beim Wald. Archivbild: Klaus Franke

Rottenburg. „Aktuelle Herausforderungen in der Wald-, Forst- und Holzwirtschaft“ hatte die Hochschule für Forst ihr Symposium genannt und die acht Vorträge in vier Diskursen waren wie ein Parforce-Ritt quer durch den Wald: Über drei Stunden brauchte es, bis alle Vorträge zu den Diskursthemen „Holzernte oder Bodenschutz?“, „Lichte Wälder oder vorratsreiche Wälde?“, „Mein Wald – Dein Wald?“ und „Haus oder Heizung?“ gehört waren.

Gleich die ersten beiden Vorträge behandelten das Wald-Aufregerthema schlechthin: Jürgen Schäffer, Professor für Bodenkunde, und Dirk Wolff, Professor für Waldtechnik, sprachen über Bodenschäden in der modernen Forstwirtschaft und über die Grenzen bodenschonender Holzerntemaßnahmen. „Dem Boden geht die Luft aus“, erklärte Schäffer und meinte damit die mit tonnenschweren Vollerntern befahrenen Waldwege und Rückegassen. Die Schäden durch diese Art der Holzernte bleiben lange. Die Forschung zeige, dass es mehrere Jahrzehnte dauere, bis sich die Waldböden regeneriert haben. Aus wirtschaftlichen Gründen kann aber nicht auf Vollernter verzichtet werden. Zudem ist die Holzernte mit ihnen sicherer für die Waldarbeiter.

Dirk Wolff brachte es auf den Punkt: „Der Forst hat viele Betriebszwecke, die sich zum Teil widersprechen: Wirtschaftlichkeit, Gesundheit der Mitarbeiter, Erholungswert des Waldes, Bodenschutz und vieles mehr.“

Im zweiten Diskurs ging es um den Streitpunkt „lichte“ gegen „dunkle, vorratsreiche“ Wälder. Als „licht“ wird ein Wald bezeichnet, dessen Baumkronen mindestens 30 Prozent Himmel sehen lassen. Lichte Wälder entstehen zum Beispiel, wenn alte Baumbestände zusammenbrechen, an Sturmbruchflächen, durch Erosion und Bergrutsche, durch Hochwasser an Flussläufen.

Dabei ist eines besonders wichtig: Es fehlen im deutschen Wald die alten Wälder. „Der deutsche Wald ist im Durchschnitt gerade mal 77 Jahre alt“, erklärte Thomas Gottschalk, Professor für Naturraumentwicklung. Zudem gebe es in Deutschland nur wenige Waldflächen mit natürlicher Waldentwicklung. Geplant waren für das Jahr 2020 fünf Prozent, erreicht hat man 2,8. „Da wird es schwierig in der Diskussion um die alten Wälder in Südamerika, wenn wir selber nicht mal 5 Prozent schaffen“, verdeutlichte Gottschalk das Problem mit Klimaschutzforderung an andere Länder, wenn in Deutschland der Wald so stark bewirtschaftet wird, dass es kaum Bäume gibt, die älter als 160 Jahre sind. „Wir haben keine Urwälder.“

Dabei sind gerade alte Bäume besonders wichtig, um dem Klimawandel etwas entgegensetzen zu können: Die CO2-Bilanz der Bäume ist am besten am Schluss, in ihrer Zusammenbruchs- und Zerfallsphase.

Waldbau-Professor Sebastian Hein warf danach die Frage auf, ob dunkle, vorratsreiche Wälder klimasicherer seien als lichte Wälder. Klar sei, dass die bisherigen Wälder am Rande ihrer Belastbarkeit durch den Klimawandel sind. Die Gefahr der häufigeren Trockenzeiten, mit denen man rechnen müsse, heißt beim lichten Wald „Eichenprozessionsspinner“ und beim dunklen Wald „Fichten-Borkenkäfer“. Ein Problem sei, dass es keine Forschung zum dunklen Wald gebe. Anders beim Lichtwald, für den in Baden-Württemberg gerade ein Konzept entwickelt werde.

Im dritten Diskurs ging es zum einen um den Wald als Freizeit- und Erholungsgebiet und zum anderen um Eigentumsverhältnisse im deutschen Wald. Tourismus-Professorin Monika Bachinger stellte die Frage „Was sucht der Mensch im Wald?“ und beleuchtete verschiedene Facetten von Naturtourismus im Wald.

Christoph Schurr, Professor für Umweltpolitik, nannte einige bedeutvolle Zahlen: 48 Prozent des deutschen Waldes sind Privatwald. 50 Prozent davon sind weniger als 20 Hektar groß, also jenseits einer sinnvollen Bewirtschaftung. Vor über 100 Jahren war so ein kleines Stück Privatwald gut für die damalige Nutzungsstruktur: Man holte sich Holz aus dem Wald, trieb das Vieh zum Futtern hinein, sammelte Brennholz. So wird der Wald heute nicht mehr genutzt und nun liegen 25 Prozent des Gesamtwaldes brach. Es gibt aber erste Ansätze, das durch Wald-Genossenschaften oder Gemeinschaftswäldern zu ändern.

Der zukunftsweisendste Diskurs war der vierte. Marcus Müller, Professor für Materialentwicklung, zeigte, was aus dem Rohstoff Holz gemacht werden kann: Zum Beispiel können Öle, sogar Plastik hergestellt werden, wenn man das Holz auf Kohlenstoffebene verwendet. „Dem Hersteller ist es egal, ob der Rohstoff Erdöl oder Holz ist“, erklärte Müller. Und er stellte das „HoHo Wien“ vor, ein 24 Stockwerke hohes Holzhochhaus in der österreichischen Hauptstadt. Das Holz, das für diesen Bau gebraucht wurde, „wächst in 2 Stunden in Österreich nach“, so Müller.

Als letzter Vortragender stellte Harald Thorwarth, Professor für Feuerungstechnik, klar, dass Holzenergie dringend dafür eingesetzt werden müsse, den Klimawandel zu stoppen. „Deutschland steht auf dem Weg zur Klimaneutraliät noch ganz am Anfang, 15 Prozent haben wir, 85 Prozent brauchen wir noch“, sagte er. „Die Nutzung von Erdöl und Erdgas muss ersetzt werden.“ Als hoffnungsvolles Beispiel zeigte er ein kurzes Video (www.holzenergie-bw.de), in dem erklärt wird, dass durch ein Holzhaus insgesamt 140 Tonnen CO2 eingespart werden können – das ist so viel wie 50 Jahre Autofahren. Angelika Brieschke