Die IG BAU warnt vor einer Asbest-Welle im Kreis
Die unsichtbare Gefahr
Tonnen von Baumaterial mit Asbest stecken im Kreis Tübingen in Altbauten.

Eternitplatten waren ein beliebtes Bauelement. Sie enthalten Asbest und sollten nur mit Komplettschutz bewegt werden. Archivbild: Ulmer
Kreis Tübingen. „Von 1950 bis 1989 kamen Asbest-Baustoffe intensiv zum Einsatz. Es ist davon auszugehen, dass es in jedem Gebäude, das in dieser Zeit gebaut, modernisiert oder umgebaut wurde, Asbest gibt“, sagt Andreas Harnack von der Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU). Er spricht von „Asbest-Fallen“ und nennt Zahlen: „In den vier ,Asbest-Jahrzehnten‘ wurden im Landkreis Tübingen rund 25 600 Wohnhäuser mit 51 800 Wohnungen neu gebaut. Das sind immerhin 50 Prozent aller Wohngebäude, die es heute im Kreis gibt. Dazu kommen noch Gewerbegebäude, Garagen, Ställe und Scheunen in der Landwirtschaft.“ Harnack verweist dabei auf die „Situationsanalyse Asbest“ des Pestel-Instituts in Hannover.
„Asbest ist ein krebserregender Stoff. Wer in einem asbestbelasteten Haus wohnt, muss sich trotzdem erst einmal keine Sorgen machen. Erst bei Sanierungsarbeiten wird es kritisch. Dann kann Asbest freigesetzt und damit zu einem ernsten Problem werden“, sagt Harnack. Er warnt vor einer „unsichtbaren Gefahr“, wenn Altbauten zu Baustellen werden: „Alles fängt mit Baustaub und dem Einatmen von Asbestfasern an. Bauarbeiter und Heimwerker haben kaum eine Chance, diese Gefahr zu erkennen.“ Bis zu 30 Jahre dauere es, ehe es zur tragischen Diagnose komme: Asbestose – mit Lungen-, Bauchfell- oder Kehlkopfkrebs. Zum Komplett-Schutz bei einer Sanierung mit Asbest-Gefahr gehöre daher immer mindestens eine FFP3-Atemschutzmaske, ein Overall, Schutzbrille und Handschuhe.
„Altbauten im Kreis Tübingen sind ein tonnenschweres Asbest-Lager. Die krebserregende Mineralfaser steckt in vielen Baustoffen. Asbest ist oft im Putz und sogar in Spachtelmassen und Fliesenklebern. Vor allem aber im Asbest-Zement. Daraus wurden Rohre und Dacheindeckungen gemacht. Eternit war typisch für den Westen“, sagt Andreas Harnack.
„Wir stehen am Anfang von zwei Sanierungsjahrzehnten. Die energetische Gebäudesanierung wird enorm an Fahrt aufnehmen. Um die Klimaschutzziele zu erreichen, wird auch im Kreis Tübingen in den nächsten Jahren ein Großteil der Altbauten ,angefasst‘.“ Dabei bleibe es in den meisten Fällen nicht bei einer reinen Energiespar-Sanierung: „Wohnhäuser werden modernisiert, senioren- und familiengerecht umgebaut, es wird angebaut und aufgestockt“, so Harnack. So drohe jetzt eine ,Asbest-Welle‘ auf dem Bau.
Harnack plädiert deswegen für eine staatliche Sanierungsprämie. Dazu müsse der Bund ein KfW-Förderprogramm „Asbest-Sanierung“ schaffen.TA