Die Stimme der Rebellion

Die Istanbuler Band Bandista kommt ins franz.K

Musikalisch verorten sie sich in der kulturellen Vielfalt Anatoliens, ihre Mitglieder bewahren konsequent ihre Anonymität und verstehen sich als Stimme des politischen Widerstands: Gleichzeitig ist das Musikverständnis des türkischen Musikkollektivs Bandista ein potenziell weltumspannendes.

11.05.2022

Sie spielen eine Mischung aus Reggae, Ska und Afrobeats: Bandista aus Istanbul. Bild: Jürgen Spieß

Sie spielen eine Mischung aus Reggae, Ska und Afrobeats: Bandista aus Istanbul. Bild: Jürgen Spieß

Grenzen beginnen im Kopf und enden auf der Landkarte: Die Rebellen der Istanbuler Rockband Bandista versuchen solche Grenzen zu vermeiden und bringen das mit ihrer Musik und ihren Texten zum Ausdruck. Dass Musik gleichzeitig eine linke politische Botschaft tragen und das Tanzbein ansprechen kann, davon sind die derzeit fünf Bandmitglieder überzeugt.

Mit ihren Lyrics auf türkisch werden Themen wie Repressionen jeglicher Art, Polizeigewalt, Nationalismus, Globalisierungskritik, der Militärputsch von 1980 und selbst der Völkermord an den Armeniern angesprochen, allerdings in Musik verpackt, die zum Tanzen anregt, sodass auf eine positive Art und Weise schwere Themen und die Sichtweisen der Rebellen-Band darüber vermittelt werden.

Ihr erstes Album, „De Te Fabula Narratur“, aus dem Jahr 2009 wurde in Italien gemastert und tausend Kopien davon auf dem Taksim-Platz verteilt. Mittlerweile hat die 2006 gegründete Band sieben Alben herausgebracht, die man alle kostenlos aus dem Internet herunterladen kann. Auch das unterstreicht ihre Einstellung, die sich gegen jegliche Form von Ausbeutung, Gewinnmaximierung und Kapitalismus richtet. Die Bandista-Mitglieder sind zwar alle Kinder der Generation, die nach dem Militärputsch der 1980er-Jahre aufgewachsen sind. Doch, so betonen sie, fließen in ihre Haltung – und damit auch in ihre Eigenkompositionen – die Vergangenheit, die Geschichte und die Opfer des Widerstands immer wieder mit ein: „Wir möchten, dass man über die Geschichte spricht, die man uns vergessen lassen möchte“, so ihr Credo.

Doch Bandista wollen nicht nur als ein weiterer Stein im Mosaik türkischer Protestmusik kategorisiert werden. Mit ihrer Mischung aus Reggae, Ska, Dub, Afrobeats und Ethno-Klangwelten beweisen sie den Willen zur Grenzüberschreitung und gleichzeitig den Mut zu etwas Eigenständigem. Sie verstehen sich als musikalische Punks und wissen gleichzeitig nur zu gut, wie die Musikindustrie funktioniert.

Verschiedene Musikinstrumente wie Akkordeon, E-Bass, Klarinette, Saxofon, Snare-Drums, Geige, Bouzouki, Keyboard, Posaune und Melodika kommen zum Einsatz und je nachdem, wie sie Zeit und Lust haben, sind bei ihren Konzerttourneen auch mal fünf, mal sechs, mal acht Bandmitglieder dabei. Oder sie treten bei Demonstrationen auf. Ihre Performances auf der Straße sind ihr Weg, sich mit der gesellschaftlichen und politischen Realität auseinander zu setzen.

Reggae, Ska und Dub sind wichtige Elemente in der Darbietung des Kollektivs Bandista, deren Musiker sich aber ebenso die Traditionspflege des anatolischen Kulturerbes auf die Fahnen geschrieben haben. In schräge Klamotten gekleidet bietet die Band eine eben solche Musik und eine wahrhaft stürmische Bühnenshow. Sie zelebrieren dabei neben rockigen Stilmitteln vielfältige ethnische Einflüsse aus den traditionellen Regionen Anatoliens, gewürzt mit türkischem Temperament. Jürgen Spieß

Bandista spielen am 16. Mai, 20 Uhr im Rahmen der Reihe „global(east)“ im Reutlinger franz.K., Unter den Linden 23