Der Kommentar

Sätze, die man nicht hören will

19.09.2018

Von Angelika Brieschke

Ärzte reagieren positiv auf Patienten, die sich vor dem Arztbesuch im Internet schlau gemacht haben – behauptet die Kaufmännische Krankenkasse in ihrer neuesten Pressemitteilung. Die Krankenkasse hatte eine Umfrage dazu in Auftrag gegeben und das Ergebnis lautet folgendermaßen: „44 Prozent der Befragten berichten, dass sich ihr Arzt über vorab angereichertes Wissen“ freue.

Wirklich? Meine Erfahrungen sind da ganz anders. Im Gegenteil, ich bin überzeugt davon, dass der Satz „Ich habe im Internet nachgesehen“ bei Ärzten ungefähr so beliebt ist wie der Satz „Ihr habt ja so viel Freizeit“ bei Lehrern.

Ich habe übrigens auch so einen Lieblingssatz. Den bekomme ich ab und an zu hören, wenn mir jemand eine Geschichte erzählt und ich dann nachfrage, woher der andere das denn wisse. „Das stand in Deiner Zeitung“ sagt dann mein Gegenüber – meist mit leisem Triumph in der Stimme. Da zucke ich jedes Mal schuldbewusst zusammen. „Oh!“, denke ich dann, „das stand in meiner Zeitung und ich weiß nichts davon!“

Wie kann das eigentlich sein? Wieso weiß ich nicht immer alles, was in meiner Zeitung steht? Wieso wird bei uns nicht jeden Tag Schlag sechs Uhr am Abend mit einem lauten Gong die gesamte Redaktion zusammengeholt, damit uns der Chefredakteur persönlich alle Artikel, die am nächsten Tag im TAGBLATT erscheinen werden, vorliest? Oder noch besser: Wieso diffundieren nicht einfach alle Texte in einer Art Osmose in sämtliche Redakteure? Auch in die, die gerade gar nicht da sind?

Das wäre toll, aber so ist es leider nicht. Auch wir Redakteure müssen jede Zeile im TAGBLATT selber lesen. Und ich gestehe zerknirscht: Ich lese nicht alles von links oben auf der ersten Seite bis rechts unten auf der letzten Seite. Das würde ich unheimlich gerne tun, denn ich liebe Zeitunglesen. Allein: Mir fehlt die Zeit. Und ich vermute stark, den anderen Mitarbeitern auch. – Wir reden nicht darüber.

Dafür kann ich mich aber gut an einen Satz erinnern, den ich vor Jahren in meiner Zeitung gelesen habe. Da hatten Schauspieler des Landestheaters Tübingen erzählt, was sie so bei Publikumsgesprächen gefragt werden – und was sie lieber nicht hören wollen. Zum Beispiel den Satz: „Und was machen Sie eigentlich tagsüber?“ Angelika Brieschke

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Erstellt:
19.09.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 10sec
zuletzt aktualisiert: 19.09.2018, 01:00 Uhr

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