Aufbau des Landes

Vor 200 Jahren wurde Württemberg vermessen

Im Jahr 1818 ordnete der württembergische König Wilhelm I. die Vermessung seines Königreiches an. Mit der Leitung war der Tübinger Astronom, Physiker und Geodät Professor von Bohnenberger betraut.

14.11.2018

Vor 200 Jahren wurde Württemberg vermessen

Im Tübinger Stadtmuseum ist bis Ende Januar 2019 die Sonderausstellung „200 Jahre Landesvermessung“ zu sehen. Gerhard Grams, Vermessungsdirektor beim Ministerium für Ländlichen Raum beantwortete dem TAGBLATT ANZEIGER einige Fragen.

Warum wollte König Wilhelm I. sein Land ausgemessen haben?

Gerhard Grams: Württemberg war erst seit kurzem Königreich, außerdem waren durch Napoleon große Landesteile dazugekommen. Der König wollte Steuern erheben können. Eine der wichtigsten Steuern damals war die Grundsteuer und das Maß für die Grundsteuer war die Fläche. Dafür brauchte man eine exakte, amtliche Vermessung.

Außerdem war die Vermessung auch als ein Baustein zum Aufbau des Landes nach der Hungerkatastrophe von 1816 gedacht. Wie auch die landwirtschaftliche Versuchsanstalt in Hohenheim und das Cannstatter Landwirtschaftliche Hauptfest.

Wie ist Bohnenberger vorgegangen?

Bohnenberger hat das gesamte Land mit einem Dreiecksnetz überzogen und so die Vermessungspunkte festgelegt. Der Nullpunkt, auch Zentralpunkt genannt, dafür ist der Nordostturm des Tübinger Schlosses.

Außerdem musste er natürlich eine Dreiecksseite als Basis messen. Als Teststrecke für eine Probebasis nahm er die Hechinger Straße mit etwas mehr als einem Kilometer, und dann die Basis im Ammertal: gut fünf Kilometer lang von der Belthlestraße entlang der Ammer bis auf Höhe einer gedachten Linie zwischen Wurmlinger Kapelle und der Kirche von Unterjesingen. Die Ammertal-Basis hat Bohnenberger allerdings nur hilfsweise gemessen, weil sich die Messung der eigentlichen, rund 13 Kilometer langen Basis zwischen dem Schloss Solitude und der Stadt Ludwigsburg aufgrund von Lieferschwierigkeiten des Maß-Eisenstabs aus Paris verzögerte.

Wie lange dauerte die Landesvermessung?

Im Jahr 1840 war man fertig. Bohnenberger selber war von 1818 bis 1825 dabei. Dann waren die von ihm angeleiteten Landvermesser so erfahren, dass er nicht mehr dabei sein musste. Bis 1850 wurden noch zwei Ergänzungsvermessungen durchgeführt. Schließlich hatte sich in den 22 Jahren der Landesvermessung ständig was geändert: Flurstücke waren vererbt und geteilt worden oder verkauft und so weiter.

War Württemberg das erste Land, das vermessen wurde?

Nein. Bayern war ein paar Jahre früher dran, und auch Österreich. Aber Baden war später.

Ist die Arbeit von Bohnenberger und den ersten Landvermessern heute noch von Bedeutung?

Auf jeden Fall. Bohnenberger und die rund 500 Geometer – davon durchschnittlich 90 ständig –, die mit der Landesvermessung beschäftigt waren, haben insgesamt 5 Millionen Flurstücke und dabei rund 22 Millionen Punkte festgelegt. Die Hälfte der Grenzpunkte ist heute noch nicht mit modernen Methoden bestätigt worden.

Das bleibt auch so, bis ein Antrag gestellt wird, zum Beispiel bei Grenzstreitigkeiten oder wenn jemand was teilen will. Mehr als 15 bis 20 solcher Anträge werden allerdings auch im Landkreis Tübingen im Jahr nicht gestellt. Waldstücke oder Weinberge wie die von Unterjesingen sind meist noch nicht neu vermessen.

Außerdem basieren sämtliche Flurkarten und topographischen Karten letztlich auf den Ergebnissen der Landesvermessung von damals.

Fragen von Angelika Brieschke

Die Ausstellung „200 Jahre Landesvermessung“ hat ein umfangreiches Begleitprogramm mit Vorträgen, Vorführungen und Führungen und eine Weihnachtswerkstatt für Kinder.

Den Anfang macht Ulrich Voßler (Fachbereich Vermessung) mit einer Vorführung historischer und moderner Meßmethoden am Freitag, 16. November, 15 Uhr.

Das Tübinger Stadtmuseum ist Dienstag bis Sonntag von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Eintritt frei.

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Erstellt:
14.11.2018, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 14.11.2018, 01:00 Uhr

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