Tun, was man kann

Die diesjährige Rottenburger Vesperkirche ist eine Vespertüte zum Mitnehmen

Zwei Wochen lang findet in Rottenburg eine pandemietaugliche Vesperkirche statt, (bis 12. Februar). An die Stelle einer warmen Mahlzeit in geselliger Runde ist eine Vespertüte getreten, die zwischen 11.30 und 13 Uhr an der Eingangstür des evangelischen Gemeindezentrums in der Kirchgasse ausgegeben wird.

03.02.2021

Seit diesen Montag werden in Rottenburg Vespertüten verteilt: Hier sind Heide Mattheis und Susanne Mehlfeld (rechts) an der Essensausgabe. Archivbild: Philipp Koebnik

Seit diesen Montag werden in Rottenburg Vespertüten verteilt: Hier sind Heide Mattheis und Susanne Mehlfeld (rechts) an der Essensausgabe. Archivbild: Philipp Koebnik

Diakonin und Vesperkirchen-Organisatorin Susanne Mehlfeld möchte damit ein Zeichen setzen: „Wir sind da und denken an Euch!“

Frau Mehlfeld, Sie gehen trotz Corona an den Start. Wie plant man in so einer Krise eine Vesperkirche?

Tatsächlich ist das jetzt unser drittes Konzept. Wir haben unendlich viele Diskussionen geführt und es war ein Riesenaufwand. Anfangs haben wir mit den Hygieneauflagen, die auch in der Gastronomie gelten, geplant – Tische mit Abstand, Kontaktnachverfolgung und so weiter. Dann mussten Restaurants und Cafés schließen und wir wollten zumindest noch ein warmes Essen draußen anbieten. Um bei Zubereitung und Ausgabe des Essens die Kontakte noch stärker reduzieren zu können, geben wir jetzt Vespertüten mit kalten Speisen aus.

Was ist denn in solch einer Vespertüte drin?

Ein Brötchen, eine Vesperscheibe Wurst oder Fleischküchle oder ähnliches, Obst, etwas Süßes und ein kleiner Impuls für den Tag. Natürlich gibt es auch eine vegetarische Variante mit Käse oder Ei – aber die Mehrzahl unserer Gäste freut sich über Fleisch, weil sie sich das sonst nicht leisten können. Die vegetarischen Varianten werden kaum nachgefragt.

Auch auf die selbst gebackenen Kuchen haben wir schweren Herzens verzichtet, weil das zu viele Kontakte erfordert hätte: Backen, transportieren, aufschneiden, Spüldienst – unser Konzept ist so beschaffen, dass wir nur wenige Mitarbeitende benötigen, die gut voneinander Abstand halten können.

Ist das nicht eine ziemlich triste Angelegenheit?

Natürlich wird in diesem Jahr vieles an Gemeinschaft fehlen, auch auf das komplette Rahmenprogramm müssen wir verzichten. Aber wir wollten einfach ein Zeichen setzen, dass wir niemanden vergessen haben. Und bei der Übergabe gibt es ja schon noch einen kleinen Kontakt, eine Begrüßung. „Schön, dass Sie da sind, wir sind für Euch da und freuen uns auf nächstes Jahr.“

Wie viele helfende Hände haben Sie?

In diesem Jahr sind es ungefähr 40, letztes Jahr haben 160 Menschen die Vesperkirche tatkräftig unterstützt. Wir haben alle Mitarbeitenden angeschrieben und darum gebeten, genau abzuwägen, ob sie das Risiko eingehen wollen. Jetzt ist der Helferkreis altersmäßig gut durchmischt, während in den vergangenen Jahren auch viele Ältere am Start waren. Beim Tüten packen und bei der Ausgabe können wir aber auch untereinander Kontakte vermeiden. Wir sind ein Team, das seit Jahren gut zusammen arbeitet. Das wird auch in diesem Jahr möglich sein.

Wie viele Gäste erwarten Sie?

Wir wissen überhaupt nicht, wie viele Menschen kommen werden. Das kommt auf das Wetter an, auf die Infektionszahlen und vieles mehr. Menschen, die nur wegen des Gemeinschaftserlebnisses gekommen sind, bleiben jetzt vielleicht weg, dafür kommen sicherlich andere. Wir warten einfach ab.

Wie finanzieren Sie diese Vespertütenaktion? Sie werden vermutlich weniger Spenden einnehmen als sonst?

Wir haben in den letzten Jahren gut gewirtschaftet und Geld für solche Notsituationen zur Seite legen können. Auf diese Rücklagen können wir zurückgreifen. Trotzdem stellen wir jetzt natürlich Spendengläser auf und hoffen auch auf anderweitige Unterstützung.

Wie war denn die Reaktion auf Ihre Entscheidung, die Vesperkirche so zu gestalten?

Natürlich gab es Kritik in jeder Richtung, den einen war es zu viel, den anderen zu wenig. Zur Zeit ist es noch schwieriger als sonst, es allen recht zu machen. Wir müssen unsere Pläne ständig rechtfertigen und wir tragen natürlich auch eine Menge Verantwortung. Unser Konzept ist wirklich ein ganz guter Kompromiss und wurde auch von der Stadt so genehmigt. Wir bekommen aber auch viel Lob und Zustimmung für unseren Weg mit der Vesperkirche in diesem Jahr.

Ich finde, dass man das, was man tun kann, auch tun sollte.

Interview: Andrea Bachmann