Tür auf für alle!

Die neuen Intendanten des Tübinger Zimmertheaters erproben ein kühnes Programm

Seit einem halben Jahr steht das Tübinger Zimmertheater unter der Leitung der beiden Intendanten Dieter und Peer Ripberger.

20.03.2019

Die Intendanten des Tübinger ITZ: Dieter und Peer Ripberger (rechts) auf der Terrasse des Zimmertheaters. Bild: Philipp Schmidt

Die Intendanten des Tübinger ITZ: Dieter und Peer Ripberger (rechts) auf der Terrasse des Zimmertheaters. Bild: Philipp Schmidt

Die radikal progressive Ausrichtung des ITZ (Institut für theatrale Zukunftsforschung) sorgt unter Tübingens Bürgerinnen und Bürgern für kontroverse Diskussionen. Man liebt oder hasst die Neuen – und ist damit je schon im Spiel, ist Akteur des offenen Konzepts.

TAGBLATT ANZEIGER: Wie sind Sie in Tübingen gelandet?

Dieter Ripberger (DR): Ich komme aus Göppingen und bin zum Philosophie- und Musikstudium nach Hildesheim gegangen, wo wir uns kennengelernt haben. Danach habe ich meinen Master in Zürich gemacht und parallel dazu begonnen, an verschiedenen Theatern in verschiedenen Funktionen zu arbeiten. Es folgten Konstanz, Lindau und das Thalia Theater Hamburg. Die letzten drei Jahre war ich als Kulturreferent im Bundestag tätig. Wir haben unseren beruflichen Weg immer gemeinsam bestritten.

Peer Ripberger (PR): Ich war als freiberuflicher Regisseur und Autor an verschiedenen Häusern. Als wir die Ausschreibung gesehen haben, dachten wir, das klingt nach uns. (lacht)

Wie lief das Auswahlverfahren ab?

PR: Gewünscht war eine schriftliche Bewerbung, die erste konzeptionelle Überlegungen enthält. Daraufhin haben wir kompromisslos alles zusammengestellt, was wir uns in unserer zehnjährigen Theatererfahrung überlegt hatten. Was uns an Häusern gestört, was uns gefallen hat. Das haben wir abgeschickt, neugierig darauf, wie weit man mit Ehrlichkeit kommt.

DR: Wir wurden tatsächlich eingeladen. Auf die erste Runde folgte am nächsten Tag gleich die zweite entscheidende Runde.

PR: Jetzt machen wir es genau so, wie wir es wollten.

DR: Inklusive der diskursiven Formate.

Was ist das Herz Ihres Konzepts?

DR: Entsprechend dem Titel möchten wir mit den Mitteln des Theaters die gesellschaftliche Zukunft erforschen. Also über künstlerische Forschung schauen, was in der Welt los ist.

PR: Was erwarten wir, was passieren könnte? Welche Möglichkeiten der Weiterentwicklung sehen wir? Stets mit der Frage verbunden: Was wollen wir denn? Es geht uns darum, Diskussionen anzuregen, die in der Gesellschaft Wirkung entfalten. Das geht nicht allein, sondern nur, wenn wir stark im Gespräch sind, mit unserem Publikum und der Gesellschaft. Daher die offenen Formate und Symposien vor den Proben.

Unser Theater ist also auch eine Begegnungsstätte für aktuelle Themen. Unsere Aufgebe sehe ich darin, Mittel zu finden, die diese Themen aufbereiten, weiterzutreiben, um die Leute in ein Nachdenken zu verwickeln.

DR: Nach den Vorstellungen ergeben sich herrlich fruchtbare Gespräche.

Wie fällt Ihr erstes Resümee aus? Kommt das kühne Programm in der Stadt an?

PR: Dadurch, dass wir nicht den typischen Kanon bespielen und neue Stücke und Formate entwickeln, fallen die Reaktionen gemischt aus. Viele sind begeistert, andere würden lieber die Klassiker sehen. Kritische Stimmen gibt es natürlich nach jedem Intendanzwechsel. Insgesamt sehen wir sehr positiv in die Zukunft. (lächelt)

DR: Aus kulturpolitischen Erwägungen heraus müssen wir uns die Frage stellen, wie kann das Medium Theater fortbestehen? In der Hinsicht ist es wichtig, den Teil der Bevölkerung, der sich überhaupt für Theater interessiert, zu erweitern. Insofern ist es sinnvoll, in der Stadt zwei Theater mit vollkommen unterschiedlicher Ausrichtung zu haben.

Wie setzt sich das Publikum bislang zusammen?

PR: Ganz gemischt. Unser Haus ist Mal um Mal voll in einer gesunden Verteilung von jung bis alt.

DR: Wir versuchen auch, eine Plattform zu sein, die den Graben, den es in Tübingen schon immer gab, zwischen Stadtgesellschaft und Uni-Kosmos zu unterlaufen. Wir sagen: Tür auf für alle! Das erreichen wir durch Koproduktionen, aber zum Beispiel auch dadurch, dass bald ein Stück in englischer Sprache aufgeführt wird. Das ist ein Novum für das Zimmertheater und wie vieles, das wir tun, natürlich auch ein Experiment.

Interview: Philipp Schmidt

Weitere Infos und das Programm findet sich auf der Homepage: www.zimmertheater-tuebingen.de

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Erstellt:
20.03.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 51sec
zuletzt aktualisiert: 20.03.2019, 01:00 Uhr

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