Letzte Rettung Bewegungspark

Die perfekte Gelegenheit der sportlichen Betätigung für Jugendliche im Lockdown

Mit dem großzügig angelegten Bewegungspark „3 in One“ wurde im Tübinger Freizeitangebot für Jugendliche eine Lücke geschlossen. Der Zuspruch des Zielpublikums zeigt das deutlich.

17.03.2021

Die Skaterbahn an einem ruhigen und chilligen Nachmittag im März. Bild: Werner Bauknecht

Die Skaterbahn an einem ruhigen und chilligen Nachmittag im März. Bild: Werner Bauknecht

Der Tübinger Bewegungspark „3 in One“ in der Jahnallee ist wie ein heller Fleck auf einer dunklen Landkarte. Auf der Corona-Landkarte nämlich. Während seit spätestens Ende Oktober 2020 nämlich das Sportgeschehen bundesweit mehr oder weniger ruht, konnten die Skater, Pumptracker oder Biker sich auf der im Spätsommer 2020 eröffneten neuen Bahn vom Frust des Home-Schooling erholen.

„Ich war zu Beginn fast jeden Tag hier“, erzählt der 17-jährige Birger Wagner, „da war immer was los, und selbst wenn es leicht genieselt hat, war man durch die Brücke über dem Park geschützt.“ Für ihn war es eine Möglichkeit, sich nach dem Bildschirmunterricht am Vormittag zu erholen.

Alles begann mit einem Pumptrack. Obwohl Mountainbiker, wusste auch Grünen-Stadtrat Bernd Gugel nicht so richtig, was das ist. Bikeprofi Thomas Schmitt war mit dieser Idee vor sechs Jahren an Gugel herangetreten. Der ließ sich erklären, was ein Pumptrack ist. Danach war er begeistert. Er fand die Idee cool und genau das Richtige für Tübingens Sportjugend und verfolgte damals gemeinsam mit Schmitt dieses Projekt.

Konrad Willar mit seiner Firma Pumptrack.de war von Anfang an auf Empfehlung von Schmitt dabei und brachte viel Know-how, aber auch Material und Hilfe ein. Am Ende erhielt er den Zuschlag zum Bau des Pumptracks. Für eine weitere zündende Idee sorgte Oliver Hausmann vom Skaterladen Brett-a-porter, als Gugel ihm die Idee des Pumptracks unterbreitete. Eine Skaterplaza braucht Tübingen, hieß es – der Stadtrat kapierte nun, „dass die Skater was ganz anderes als die Biker brauchen und wollen. So entstand die Idee auch die Skater einzubinden.“

Sponsoren wie Generalbau Mey, Steuerberatung Kost, Sups Nutrition oder die Stadtwerke Tübingen brachten insgesamt 220 000 Euro ein. Der Gemeinderat von Tübingen stellte weitere 350 000 Euro bereit. Im Gemeinderat gab es für den „3 in One Bewegungspark“ immerhin hundertprozentige Zustimmung. Und damit konnte das Projekt Fahrt aufnehmen und zu einem guten Ende gebracht werden.

Inzwischen hat sich herausgestellt, dass es eine wohlgeratene Investition war, die sich Stadt und Sponsoren da geleistet haben. Denn der Parcours wurde von Anfang an von den Kids der Unistadt bestens angenommen. Und ein Platz, der vergeudet schien, konnte nunmehr einer sinnvollen Funktion zugeführt werden.

„Ich habe mich schon immer geärgert“, so Hans-Jürgen Ohnmacht, der mit seinem Sohn den Park besuchte, „dass hier so eine sinnlose Fläche unterhalb der Straße entstanden ist.“ Jetzt kommt der Tübinger immer mit seinem achtjährigen Sohn Jens her, der mit dem Roller seine Runden dreht. Und er selbst? „Oh nein“, winkt er da ab, „ich würde mich nur verletzen, wenn ich mich auf so ein Bike setzen oder ein Skate stellen würde.“ Und außerdem, meint er augenzwinkernd, käme er sich mit 36 Jahren doch „ein wenig alt vor unter all den Teenies.“

Gerade in Corona-Zeiten gibt es so einige Regeln auf dem Parcours zu beachten. Diese sind auch an etlichen Stellen auf Hinweisschildern rund um den Bikerpark nachzulesen. Dort steht dann, dass maximal 12 Personen gleichzeitig auf der Anlage sein dürfen. Klar, dass Abstand gehalten und Masken getragen werden müssen. Zwar stimmen die Zahlen nicht immer, gemessen an den Vorgaben: Meist tummelt sich mehr als das Dutzend auf der Anlage. Auf den Startpodests oder im Gras versammeln sich deutlich mehr Jungs und Mädchen. Auf dem Parcours selbst halten die Jugendlichen sich meist an die Vorschriften – es passen ohnehin nicht mehr auf die Strecke, ohne dass man sich dann gegenseitig behindert.

Und was sagen die Jugendlichen selbst dazu? „Ich komme von Anfang an her“, sagt Ole (15), „und ich habe noch von keinem einzigen Coronafall gehört unter den Skatern hier.“ Ähnlich argumentiert auch Jannick (15), der die OP-Maske unterm Kinn trägt. „Dass das hier ein Hotspot sein soll, wäre mir neu, ich kenne niemand hier, der jemals infiziert gewesen wäre.“

Dennoch sind so manche der Fußgänger, die hier am Neckar entlang spazieren, überrascht vom regen Betrieb. „Ich finde schon, dass da bisschen arg viel los ist“, sagt dazu eine Frau aus Derendingen, die mit ihrer Tochter vorbei kommt. „Ich bin hin- und hergerissen“, ergänzt sie, „einerseits freut es mich für die jungen Leute, dass sie hier sporteln können, andererseits kann ich das Infektionsgeschehen dabei schlecht beurteilen.“

Das ist typisch für viele Beurteilungen des Geschehens auf der Anlage: Einerseits freuen sich die Menschen darüber, dass den Jugendlichen in diesen Zeiten ohne Sportangebote, ohne Präsenzschule und ohne Treffen mit Freunden etwas geboten wird. Andererseits sind sie auch misstrauisch, wie sich so ein Treffen auf das Infektionsgeschehen auswirkt. Dass die Jugendlichen hier regelmäßig üben, kann man auch an den artistischen Einlagen mancher der Jungs und (weniger) Mädchen sehen. Da werden wahre Pirouetten in der Luft absolviert, mit perfekter Landung.

Halsbrecherisch auch, was manche auf dem Pumptrack veranstalten. Das Besondere einer solchen Wellenpiste: Die Strecke kann ohne Treten oder Anschieben gemeistert werden. Stattdessen nimmt der Fahrer durch Zieh- und Drückbewegungen („pumpen“) des Körpers Geschwindigkeit auf. Da rasen die Könner im Affenzahn durch die schrägen Kurven und die aufgebauten Bodenwellen. Aber daneben bewegen sich auch eher kleinere Kinder mit ihren Rollern durch das Kurvengeflecht, oft ängstlich beobachtet von Vater oder Mutter am Pistenrand.

Dennoch hat die Stadtverwaltung strenge Regeln für „3 in One“ erlassen. Es gibt dazu eigens eine vierseitige Satzung der Unistadt. Da sind zum Beispiel: die Öffnungszeiten definiert. Demnach darf der Skatepark Samstag und Sonntag nicht genutzt werden, Parcours und Pumptrack hingegen von 8 bis 22 Uhr.

So ist die Benutzung natürlich auf eigene Gefahr, Alkohol ist vor Ort nicht gestattet, Rauchen ebenso wenig. Es wird explizit darauf hingewiesen, dass die Anlage kein Spielplatz, sondern eine Sportanlage ist. Mindestalter der Benutzer: acht Jahre.

Ordnungswidrigkeiten können übrigens mit einer Geldbuße belegt werden. Dazu gehört zum Beispiel Rauchen, Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen oder Nutzung der Anlage mit elektrisch angetriebenen Vehikeln oder mit motorbetriebenen Rollern oder Mofas. Auch das Zurücklassen von Abfällen ist ein Verstoß.

„Für uns Schüler ist die Anlage perfekt“, meint Jannick, „wir können nach dem Unterricht oder in Hohlstunden auf die Anlage und sind dann gleich wieder zurück in der Schule.“ Dazu lacht er: „Wenn wir mal wieder in die Schule dürfen.“ Natürlich sehen sie auch, dass bei sich verändernden Regeln von Seiten der Regierung so eine Anlage ruckzuck geschlossen werden kann. So lag beispielsweise der Basketball- beziehungsweise der Fußballcourt neben der Bahn wochenlang brach und blieb ohne Spielbetrieb. Jetzt erst treffen sich sporttreibende Duos, um ein paar Bälle zu werfen.

Was haben die Jugendlichen eigentlich gemacht, ehe es diese Bahn gab? „Ach, da sind wir abwechselnd in der Uhlandstraße beim Keplergymnasium gefahren oder draußen an der Arena“, berichtet Ole. Aber da sei es manchmal so voll gewesen, dass man kaum zum Fahren gekommen sei.

Der 16-jährige Jonas hat erst hier begonnen mit dem Skaten. „Man glaubt es kaum, aber da hat mich mein kleiner Bruder mitgenommen und hat dann auch damit angefangen.“ Angst, sich zu infizieren, haben sie beide nicht. Aber: „Falls wir unsere Großeltern besuchen, mache ich immer einen Schnelltest, ich will ja nicht, dass da was passiert.“

Aber nicht nur für die Akteure ist es spannend, auf den Tracks des „3 in One“ ihre Kunststücke zu zeigen. Auch für das Publikum, das häufig stehen bleibt, um das Geschehen zu beobachten, gibt es Schauwerte. Wenn man nur mal schaut, wie zwei auf ihren Pumpbikes Seite an Seite durch Wellen und die Schrägen hetzen, dann ist das durchaus atemberaubend. Gibt es eigentlich keine Unfälle? Da schauen sich Ole und Jannick an. Nein, an so etwas können sie sich gar nicht erinnern.Werner Bauknecht

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17.03.2021, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 17.03.2021, 01:00 Uhr

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