Auf Entdeckungstour

Die polnische Band Dikanda spielt pulsierende Weltmusik

Eine weltmusikalische Verbeugung vor der Vergangenheit: Dynamische Folkrhythmen aus Polen und den angrenzenden osteuropäischen Ländern bildeten die Grundlage der Band Dikanda, die am Samstag als eine der beiden Hauptacts beim inter:Komm!-Open-Air-Festival auf dem Reutlinger Echaz-Hafen-Gelände auftritt.

21.07.2021

Ihre Stimme ist das Zentrum der Band: Frontfrau Anna Wiczak.Bild: Jürgen Spieß

Ihre Stimme ist das Zentrum der Band: Frontfrau Anna Wiczak.Bild: Jürgen Spieß

Die Melodien und Rhythmen, die den Songs der 1997 in Stettin gegründeten Gruppe zugrunde liegen, erfasst man schnell. Es sind Volksmusiken aus Ost- und Südosteuropa, aus Bulgarien, Mazedonien und Weißrußland. Musik, die uns vertraut ist durch den Gypsy- und Klezmer-Boom der vergangenen Jahre und durch diverse Romagruppen, die in der Region immer wieder aufgetreten.

Der Name Dikanda stammt ursprünglich aus einer Fantasiesprache, steht aber auch in einem afrikanischen Dialekt für „Familie“ und ist nach Auffassung der Band selbst geeignet, „das familiäre Leben, den Musikstil und die Emotionen der Gruppe auszudrücken“. Das bedeutet übersetzt: Freude am Singen und Spielen, Leidenschaft, Spontaneität und jede Menge Energie.

Dafür steht vor allem die Frontfrau Anna Wiczak. Die ungestüme Akkordeonistin und Sängerin steht mit ihrer prägnanten Stimme eindeutig im Zentrum der Band. Wenn sie mit Charisma und Können die Grenze des Singbaren auslotet, dann entlockt das den Mitmusikern manch anerkennendes Schmunzeln. Zudem bestimmt ihr Akkordeon das Tempo und den Charakter der Stücke.

Ihr aktuelles und achtes Album „Devla Devla“ enthält Lieder, die überwiegend auf Polnisch und in einer Fantasiesprache gesungen werden. Lieder, die die Wurzeln der Folklore hinter sich lassen – und Freude am Weltmusikalischen ausstrahlen. Das Repertoire von Dikanda reicht von kurdischer Musik bis hin zur ausgelassenen Trommelorgie. Schwermütige Zigeunerweisen treffen auf eine aufmüpfige Trompete, die Stimmen von Anna Wiczak und dem Geiger Andrzej „Fiz“ Jarzabek rufen Erinnerungen wach an die Folklore Bulgariens, und wundersamerweise passt all das unter einen Hut.

Sie sind weit herumgekommen in den vergangenen Jahren, die sieben Musiker aus dem polnischen Szczecin. Und das nicht nur als Straßenmusikanten, sondern auch bei Festivals in Deutschland und der Schweiz, in Schweden, Ungarn, Russland und sogar in den USA. In Polen hat die Gruppe den wichtigen Radio Preis „Nowa Tradycja“ gewonnen – eine Auszeichnung, die so recht passt zur innovativen Traditionspflege von Dikanda. Selbst zum weltbekannten Jazzfestival in Montreux wurden sie schon mehrere Male eingeladen und 2004 hat Dikanda den ersten Preis bei Deutschlands einzigem europäischen Folkmusikwettbewerb gewonnen.

Die vergangenen Jahre auf Tournee machen sich in ihren Auftritten bezahlt. Aber die Band lebt nicht nur von der Erfahrung und Spontaneität ihres Spiels. Grzegorz Kolbrecki (Kontrabass) und Pjotr Rejdak (klassische Gitarre) etwa halten sich vornehm im Hintergrund, zupfen einen soliden Rhythmus und können doch viel mehr.

Das beweisen sie im Trio mit dem Percussionisten Daniel Kaczmarczyk, der auf seinem minimalen Drumset hin und wieder ganz verwegene Geräusche produziert. Dazu kommen Andrzej „Fiz“ Jarzabek (Geige, Gesang) und Szymon Bobrowski (Trompete), die beide erst 2014 zur Band hinzugestoßen sind.

Unverwechselbar ist die Musik von Dikanda jedoch nicht zuletzt dank der vorzüglichen Frontfrau am Akkordeon und Gesang. Während die sechs Herren im Hintergrund stoisch die verzwicktesten Rhythmen zupfen und klopfen, wirbelt sie virtuos und ausgelassen über die Bühne – durch einen fantasievollen Mix aus Folk, Weltmusik und Gypsy. Jürgen Spieß

Dikanda spielt am kommenden Samstag, 24. Juli ab 18 Uhr neben dem Bayram Agushev Orkestar und der Band LaLaLaNapoli beim inter:Komm!-Festival auf dem Reutlinger Echaz-Hafen-Gelände.