Vier kleine Goldnuggets

Die vier Jungs von Frozen Deserts spielen Indierock mit viel britischem Flair

04.07.2018

Die Indierocker Frozen Deserts ist inzwischen so etwas wie die Hausband im Tübinger Schlosscafé geworden. Bild: Bachmann

Die Indierocker Frozen Deserts ist inzwischen so etwas wie die Hausband im Tübinger Schlosscafé geworden. Bild: Bachmann

Vor drei Jahren lernten Anton Braun und David Vogel sich auf einer Geburtstagsparty kennen. Besonders vielversprechend war das Zusammentreffen eigentlich nicht: Die beiden stritten den halben Abend über ihren Musikgeschmack. Als Anton aber ein halbes Jahr später einen Drummer suchte, rief er David an. „Ich wollte den besten Drummer aller Zeiten und das ist eben David“, meint Anton, der selber Gitarre spielt und singt und von sich behauptet: „Musik ist für mich kein Hobby. Mein Hobby ist Fußball spielen. Musik ist mein Beruf.“

Noch ein Jahr lang suchten die beiden nach weiteren Musikern, probierten mal mit dem einen, mal mit dem anderen, aber so richtig passte ihnen keiner. Bis sie den Bassisten Raphael Bella und den Gitarristen Jo hatten. „Seitdem ist die Band richtig lebendig“, finden sie.

Der Name „Frozen Deserts“ war fast noch schwieriger zu finden als die perfekte Besetzung. Jede Idee, die einer der vier Musiker hatte, wurde von den drei anderen in Grund und Boden kritisiert. Bis David eines Tages einen Song hörte, in dem von Frozen Deserts die Rede war. Das fanden dann alle gut. Ein Oxymoron, zwei Begriffe, die einander widersprechen. Das passte zu ihnen. Witzigerweise haben sie jetzt eine kleine Werbepartnerschaft mit einem Smoothieproduzenten, der gedacht hatte, die Band hieße „Frozen Desserts“.

In ihrem Leben außerhalb der Musik gehen die vier zur Schule, studieren Geschichte und Philosophie oder jobben als Barkeeper. Ihre Songs drehen sich um die Dinge, die einem kurz vor dem 20. Geburtstag eben so passieren. „Erste Male“ sind gute Inspirationsquellen, finden sie. Lieder über die Liebe und das Rauchen und auch eins gegen die AfD. Das haben sie wieder aus dem Programm genommen, weil es musikalisch nicht gut war. „Aber eigentlich könnten wir echt mehr politische Texte schreiben.“ Die Musik dazu entsteht in Teamarbeit. „Wir puzzeln die Songs oft zusammen“, meint Raphael. „Einer bringt den Riff, einer eine geile Bridge und dann kommt noch eine schöne Bassfuge.“ Letztendlich entscheidet immer die ganze Band gemeinsam, was gemacht wird. Mit Veto-Recht. 27 Songs sind auf diese Weise bislang zu Stande gekommen.

Heraus kommt dann eine Musik mit so viel britischem Flair, dass man sich sofort in einem Club auf der Insel wähnt und mit eindeutigen Reminiszenzen an die späten 1990er-Jahre, angenehm individuell und schön wild. White Stripes, The Strokes, Arctic Monkeys gefallen ihnen, ohne dass sie sich allzu sehr beeinflussen ließen. „Ich habe echt keine Vorbilder“, sagt Jo. „Meine Musik oszilliert irgendwo zwischen softem Rock und Metal.“

Nach ein paar Hauspartys kamen Anfang des Jahres die ersten richtigen Auftritte. Mittlerweile spielen die vier einmal im Monat bei Tobias Haase im Schlosscafé, da haben sie sozusagen einen Dauerauftrag. Die Bude sei da immer gerammelt voll. „Der hat uns aus dem Dreck geholt wie vier kleine Goldnuggets“, beschreibt David die für beide Seiten ausgesprochen zufrieden stellende Kooperation.

Im Juli werden sie ihr erstes Album aufnehmen, ein Musikvideo ist in der Postproduktion. Das haben sie auf einer altmodischen VHS-Cassette gedreht. Anton kann sich dafür sehr begeistern: “Egal, was man damit filmt, es sieht genauso aus wie in den 80er-Jahren, so ein bisschen retro und ich mag es einfach, wenn etwas alt aussieht.“

Außerdem wollten sie unbedingt etwas machen, was noch niemand vor ihnen gemacht hat. Deshalb planen sie eine Tournee durch Polen und Russland. Da sei die Indie-Szene total groß und das Publikum total hungrig. Ganz im Gegensatz zu England, dem Land, dem sie sich musikalisch eigentlich am meisten verbunden fühlen. „Aber es wäre komplett sinnlos, da hinzufahren. Da sitzen im Publikum dann Leute, die alle selber in fünf Bands spielen.“ Andrea Bachmann

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Erstellt:
04.07.2018, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 04.07.2018, 01:00 Uhr

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