Der Kommentar

Ein Fest für alle

15.06.2022

Von Angelika Brieschke

Die Pressesprecherin der Stadt Rottenburg hat Recht: Das Neckarfest bietet jede Menge Attraktionen und dauert drei Tage. Da sind fünf Euro im Verhältnis zu anderen Veranstaltungen nicht viel Geld. Jeder Fasnetsumzug, der nur wenige Stunden dauert, kostet ähnlich viel. Und dass die nicht wenigen Kosten, die so ein großes Stadtfest verursacht, nicht nur den Vereinen, die die Attraktionen und die Essensstände anbieten, aufgehalst werden sollten, ist durchaus in Ordnung. Die Vereine haben meist schon reichlich Probleme damit, genügend Freiwillige (sprich: Unbezahlte) für ihre Stände zu finden.

Von daher scheint die Einführung eines Obolus, also eines Geldbetrages, den die Fest-Besucherinnen und -Besucher bezahlen, eine gute Idee zu sein, um die „Kosten auf mehrere Schultern zu verteilen“, wie die Pressesprecherin es erklärt. Und ob der Obolus nun Eintritt oder Festabzeichen genannt wird, ist da völlig wurscht.

Die Frage ist eine ganz andere: Warum feiern wir Stadtfeste? Geht es nicht darum, dass alle, wirklich alle Menschen einer Stadtgemeinschaft an einem Fest teilnehmen können? Auch die, für die 5 Euro ein Betrag sind, den sie eben nicht einfach mal so nebenbei und zusätzlich ausgeben können. Die Betonung liegt dabei auf „nicht können“ und nicht auf „nicht wollen“.

Vor kurzem konnte man im SCHWÄBISCHEN TAGBLATT eindrücklich vorgerechnet bekommen, mit wie wenig Geld manche Studierende bei uns auskommen müssen. Und regelmäßig trudeln im Presse-Mailfach Meldungen der Tafelläden ein, in denen überdeutlich beschrieben wird, wie sehr sie am Limit sind: Es gibt inzwischen einfach viel zu viele Bedürftige, die sich dort gerne günstig Nahrungsmittel abholen würden.

In ähnlicher Frequenz landen in diesem Mailfach Pressemeldungen, gerne auch von städtischer Seite, in denen es um „Teilhabe“ geht. Also darum, dass beeinträchtigte Menschen – egal ob finanziell schwach oder behindert – am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können.

Ein Stadtfest lebt davon, dass die lokalen Vereine sich und ihre Arbeit präsentieren können: Musik, Tanz, Schau-Vorführungen... Da kriegt man nicht selten wirklich Sensationelles zu sehen. Auch da sind Kinder aus finanzschwachen Familien mit dabei. Wollen wir wirklich, dass manche Eltern sich einen Kopf darüber machen müssen, ob ihre eigenen Kindern zusehen können? Angelika Brieschke

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Erstellt:
15.06.2022, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 15.06.2022, 01:00 Uhr

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