Der Kommentar

Eine Beziehung auf Zeit

06.06.2018

Von Philipp Schmidt

Nach einem dreiwöchigen Test mit der Warn-App NINA ist mir vor allem Eines klargeworden: Wir leben in einem ruhigen Gebiet. Die Natur scheint sich bei uns im Ländle für den Pazifismus entschieden zu haben. Obwohl ich neben dem Tübinger auch die Landkreise Reutlingen und Stuttgart zu den Standorten hinzugefügt habe, wurde ich insgesamt nur dreimal vor Unwettern gewarnt – und die waren auch noch verhältnismäßig harmlos. Nach diesem zugegebenermaßen kurzen Selbsttest würde ich NINA wie eine Versicherung oder einen Rauchmelder einschätzen. Es ist selten, dass sie nützlich sind, aber wenn der Fall doch eintritt, ist man sehr froh darüber, sich abgesichert zu haben. Zum Schmunzeln bringt mich allerdings die Namensgebung. Offenbar ist es für die virale Verbreitung einer Anwendungssoftware zur Bedingung geworden, dass sie einen weiblichen Vornamen hat.

Siri, Alexa, Cortana . . . und jetzt NINA. Die Entwickler hätten die Software genauso gut auch unter dem Namen Katastrophen- und Unwetter-Warn-App herausbringen können. Aber offenbar ist man der Meinung, ein KUWA wäre weniger erfolgreich als eine NINA. Warum eigentlich? Liegt darin ein Hinweis, welche primäre potentielle Zielgruppe die Vertreiber im Auge haben? Glaubt man bei Apple, Amazon, Windows und eben auch beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe noch immer, Männer seien eher für technische Helfer zu begeistern?

Zumindest in unserem Haushalt eine Fehleinschätzung. Meine Frau, die auch das geeignetere Smartphone besitzt, ist von der App angetan, während ich NINA nach dem Selbsttest wieder gelöscht habe. Ich lasse mich auch gerne mal von einem Gewitter überraschen – um dann schniefend zu jammern, wenn ich mit dem Fahrrad durch heftigen Wind und Platzregen heimfahren muss, weil NINA und ich uns getrennt haben.

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Erstellt:
06.06.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 53sec
zuletzt aktualisiert: 06.06.2018, 01:00 Uhr

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