Aus der Luft und zu Fuß (37)

Kirchentellinsfurt

11.07.2018

Von Andrea Bachmann / Bilder: Erich Sommer

Kirchentellinsfurt

Es gibt unkompliziertere Dinge als die Ortsgeschichte von Kirchentellinsfurt. Ursprünglich handelte es sich nicht einmal um nur einen Ort, sondern um zwei Siedlungen. Die größere von beiden – „Kirchen“ genannt – wurde 1007 zum ersten Mal erwähnt. Tälisfurt, ein kleiner Weiler mit ein paar Fischerhütten und einer Mühle, taucht 1275 zum ersten Mal in einem amtlichen Dokument auf. Bestanden haben beide Orte vermutlich schon länger – dass es in Kirchentellinsfurt eine Martinskirche gibt, weist darauf hin, dass ungefähr im 8. Jahrhundert Franken an diesem strategisch so günstigen Platz angesiedelt haben, an einer Furt über den Neckar und beim Zusammenfluss der Echaz in den Neckar.

Die Orte gehörten einzeln oder beide zusammen zu Bayern, zur Grafschaft Hohenberg, zum Kloster Bebenhausen oder zu Österreich. Der Name Kirchentellinsfurt setzte sich erst im 16. Jahrhundert durch. 1525 kaufte der Kanzler von Tirol und Vorderösterreich, Beatus Widmann, alle Herrschaftsrechte und Güter auf. Sein Sohn Hans Jakob Widmann folgte 1533 seinem Vater als Ortsherr nach und baute um 1560 das Schloss, das damals allerdings noch weit schlichter war als heute. Allerdings ließ Widmann es schon schön ausmalen, zum Beispiel stammt die Diamantmalerei an der Tür zum Rittersaal noch aus dieser Zeit.

Hans Jakob verstarb 1566 und hinterließ vier noch kleine Kinder. Nach seinem Tod kam es zu politischen Streitigkeiten und die Familie Widmann geriet in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten. Hans Jakobs Sohn Hans Christoph verkaufte deshalb 1593 alles, was ihm in Kirchentellinsfurt gehörte, an Herzog Ludwig von Württemberg. Ein Jahr später setzte dessen Nachfolger Herzog Friedrich den ersten evangelischen Pfarrer ein. Anastasius Kommerell sollte jetzt aus den Kirchentellinsfurter Bauern und Handwerkern gottselige protestantische Untertanen des Hauses Württemberg machen. Noch heute erinnert eine große Tafel in der Martinskirche an die Einführung der Reformation in Kirchentellinsfurt.

Ganz einfach wird das dem Pfarrer Kommerell nicht gefallen sein – die Kirchentellinsfurter ließen sich in Glaubensdingen nicht gerne reinreden: 1801 sollte ein neues Gesangbuch eingeführt werden, gegen das sich die pietistisch geprägten Einwohner so entschieden zur Wehr setzten, dass militärische Präsenz nötig war, um das neue Gesangbuch in die Kirche zu bringen.

Das Schloss war den Württemberger Herzögen allerdings nicht groß und schön genug und deshalb überließen sie es 1602 ihrem Forstmeister Peter Imhof, der dem Anwesen weitgehend seine heutige Gestalt verpasste. Imhof vergrößerte und verschönerte, was das Zeug hielt, versah Türbögen mit Intarsien und leistete sich schöne Holzdecken. Auch der repräsentative Rittersaal geht auf ihn zurück. Seine beiden Söhne versuchten, das Schloss in die Länge und die Quere unter sich aufzuteilen, was gründlich misslang, woraufhin sie es 1777 an sechs Bürger verkauften. Bis ins 20. Jahrhundert wurde das Schloss dann von Kirchentellinsfurtern bewohnt.

Einer dieser Schloss-Bewohner war Walter Tiedemann. Er kaufte nach und nach fast das ganze Schloss auf, um seine unzähligen Sammlungen irgendwo unterzubringen. Kurz vor seinem Tod Ende der 1980er-Jahre schenkte er Schloss und Sammlung der Gemeinde, die sich mit einer spektakulären Sanierung und der Einrichtung des vermutlich skurrilsten Museums der Region für dieses großzügige Geschenk revanchierte. Andrea Bachmann / Bilder: Erich Sommer