Schwammstadt trotzt dem Regen

Flächenversiegelung: Zugepflastert statt abgelaufen

Stadt und Land werden asphaltiert. Jeden Tag wird in Deutschland die Fläche von 90 Fußballfeldern zur Bebauung freigegeben. Bei Starkregen bedeutet das: Land unter.

28.07.2021

Wenn zu viel Wasser vom Himmel stürzt, gibt es Überschwemmungen.  Archivbild: Anne Faden

Wenn zu viel Wasser vom Himmel stürzt, gibt es Überschwemmungen. Archivbild: Anne Faden

Wer im Internet mit dem Mauszeiger bei Google Earth über Berlin fliegt, erlebt eine Zeitreise – in doppelter Hinsicht. Einerseits sind die Satellitenbilder der Straßen, Häuser und Parks da unten meist schon ein paar Monate alt: Manche Ecke sieht inzwischen ganz anders aus. Andererseits erlaubt das Programm einen Blick in die Zukunft. Zum Beispiel im Bezirk Treptow-Köpenick.

An der Newton-Straße tauchen unter der Maus seltsam asymmetrische Hausfassaden auf, mit schräg stehenden Strukturen, an denen Grünpflanzen wuchern wie in einer Dschungelstadt. Einige Mauswischer weiter südöstlich lassen niedrige Betonmauern in einer Rasenfläche an der Köpenicker Straße den Betrachter an Kornkreise denken. Ringsherum wachsen auf vielen Flachdächern Gräser, Sträucher und Blumen.

Wasserwirtschaftler haben ein Zauberwort im Kampf gegen Starkregen: die Schwammstadt. Das ist die Zukunft – zumindest, wenn es nach Kay Joswig geht. Der Stratege der Berliner Wasserbetriebe wünscht sich, dass die Hauptstadt bald an viel mehr Stellen so oder so ähnlich aussieht. Denn die grünen Hausdächer und Betonmäuerchen sind ein Teil seiner Antwort auf eine zentrale Herausforderung aller Großstädte: Starkregen.

Das ist der Teil der Zukunft, den die Satellitenbilder auf Google Earth nicht zeigen. Die Städte liegen dort in ewigem Sonnenschein. Tatsächlich aber entladen sich über ihnen auch als Folge der Erderwärmung immer häufiger Unwetter. Dabei geht es um mehr als sommerliche Wolkenbrüche: Starkregen ist eine Naturgewalt.

Binnen kürzester Zeit stürzt derartig viel Wasser vom Himmel, dass Keller und Tiefgaragen volllaufen, Bäche und Flüsse über die Ufer treten und manchmal sogar verheerende Sturzfluten durch die Straßen schießen. Die zunehmende Versiegelung des Untergrunds verschärft das Problem: Statt an Ort und Stelle zu versickern, schießt das Wasser in die Gullys und lässt sie überlaufen. „Damit ist auch die beste Kanalisation überfordert“, sagt Joswig.

Vor zehn Jahren sprach man bei solchen Ereignissen noch von außergewöhnlichen Ausnahmen. Doch das Bild ändert sich. Die Intervalle dazwischen sind inzwischen zu kurz.

Die Versicherungsbranche werde alles tun, um pragmatisch und effizient zu helfen, sagt der Geschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft, Jörg Asmussen.

Es zeichne sich ab, dass sich dieses Jahr mit Stürmen, Überschwemmung, Starkregen und Hagel zu einem der schadenträchtigsten seit 2013 entwickeln könnte. „Bereits im Juni haben Starkregen und Hagel einen geschätzten versicherten Schaden von 1,7 Milliarden Euro verursacht“, sagt Asmussen. „Eine Schadenschätzung werden wir noch in dieser Woche vorliegen haben.“ Deutschlands Städte und Dörfer benötigen bessere Konzepte im Kampf gegen den Starkregen. TA