Der Tod gehört zum Leben
Führung bei einem Bestattungsinstitut in der Tübinger Weststadt
Wie arbeiten eigentlich Bestatter? Diese Frage haben sich bestimmt einige Leute schon gestellt. Doch wenn man dann tatsächlich mal in Kontakt mit Menschen aus diesem Berufsfeld kommt, hat man meist andere Gedanken, als über die genaue Tätigkeit des Gegenüber nachzudenken.

Bestattermeisterin Nadia Oberste-Lehn von Rilling & Partner stellt den modernen Bestattungswagen inklusive Sternenhimmel vor. Bild: Frieder Göhlich
Tübingen. In der Veranstaltungsreihe „Sommer an der Ammer“ lud das größte Tübinger Bestattungsinstitut, Rilling & Partner, Anfang September zu einer Führung durch sein Haus ein. Initiiert wurde die Veranstaltung vom Nachbarschaftsnetz „Äußere Weststadt“.
Bestattermeisterin Nadia Oberste-Lehn begann den Rundgang durch die Räumlichkeiten im sogenannten „Haus des Übergangs“. Das Haus besteht aus zwei separaten Räumen. Zum einen gibt es einen größeren Versammlungsraum, der oft für Abschiedszeremonien auf Trauerfeiern genutzt wird, aber auch für andere Veranstaltungen wie zum Beispiel der Führung Verwendung findet. Daneben gibt es einen kleineren Aufbahrungsraum, in dem eine verstorbene Person – in der Regel – einen Tag lang aufgebahrt werden kann, damit die Angehörigen noch einmal direkten Abschied nehmen können.
Als Erklärung für den Namen des Gebäudes war es der Bestatterin wichtig zu betonen, dass der Tod bei ihnen eben nicht als ein endgültiger Abschluss verstanden wird, sondern als eine Art Prozess des Übergangs in eine andere Welt: „Egal, was da oben ist, unsere Aufgabe ist die Begleitung der Menschen dorthin.“
Nach der Begrüßung ging es weiter ins Hauptgebäude. Im dortigen Foyer wurde kurz auf „spezielle Erinnerungsmöglichkeiten“ eingegangen. Wer zum Beispiel zu weit entfernt wohnt, um regelmäßig das Grab der Liebsten zu besuchen, kann sich auch eine Kette mit 0,2 Gramm der Asche oder mit dem Fingerabdruck des Verstorbenen fertigen lassen. Allerdings ist diese Praxis in Deutschland eine gesetzliche „Grauzone“, da hier eine absolute Bestattungspflicht gilt. Das heißt, eigentlich müssen jegliche Überreste der Asche beerdigt werden. Anbieter von Erinnerungsstücken kommen deshalb alle aus den Nachbarländern.
Als nächstes ging es in einen der Beratungsräume. Dort besprechen die Angehörigen mit dem Bestatter alles, was es bis zur Beerdigung noch zu klären gibt – von der Art der Bestattung bis hin zur Todesanzeige. Am Anfang des Gesprächs wird den Angehörigen noch einmal die Möglichkeit gegeben, über den Verstorbenen selbst und ihre eigenen Gefühle in den Stunden und Tagen seit dem Tod zu sprechen. Währenddessen wird auf dem Tisch eine Kerze angezündet, die dem Toten gewidmet ist und diesen auch nach dem Gespräch bei allen Schritten bis zur Beerdigung begleitet. Danach wird sie an die Familie übergeben. Zur Beruhigung der Nerven liegen für die Trauernden auf dem Tisch auch noch kleine Schokoriegel und Handschmeichler aus Holz aus.
Die beiden nächsten Etappen auf dem Rundgang gingen durch die Zimmer, in denen die verfügbaren Särge und Urnen ausgestellt werden. Besonders interessant war hierbei, dass inzwischen etwa 70 Prozent aller Verstorbenen verbrannt werden. Eine zentrale Ursache dafür sei die moderne Familie. Viele wohnten heute sehr weit voneinander entfernt, sodass traditionelle Familiengräber eigentlich nicht mehr möglich seien. „Das eine Kind wohnt in Hamburg, das andere in Zürich und das dritte anderswo – ja wer pflegt denn dann das Grab?“, erklärt die Bestattungsmeisterin schlüssig. Die Friedhofskosten seien außerdem bei einem Urnengrab einfach deutlich niedriger.
Kurz vorm Ende der Führung ging es dann noch in die Werkstatt, also dem Ort, von dem man als Außenstehender sonst keinen direkten Einblick bekommt. Dort werden in fünf Kühlkammern bis zu 10 Verstobene zwischengelagert, um die Verwesungsprozesse zu verlangsamen. Außerdem befindet sich dort noch der Raum, in dem die Verstorbenen für den Sarg hergerichtet und einbalsamiert werden. Diesen Raum kann man sich in etwa wie die Räumlichkeiten der Gerichtsmedizin beim Tatort vorstellen. Nadia Oberste-Lehn zeigt den Besuchern in der Werkstatt auch direkt noch den modernen Bestattungswagen. Dessen edles Interieur soll für die Angehörigen ein angenehmes Ambiente ausstrahlen.
Beendet wurde die Führung im Café Inspiration, einem Café des Bestattungsinstituts, das für Trauerfeiern gemietet werden kann. Im Gegensatz zu anderen Cafés hat man dort den Vorteil keine anderen Kunden um sich herum zu haben. Frieder Göhlich
Das Nachbarschaftsnetz „Äußere Weststadt“ wurde 2013 als Wohnzimmergruppe gegründet und organisiert gemeinsame Gruppenaktivitäten, um so zu einer lebendigeren Nachbarschaft beizutragen.
Die Nachbarschaftstreffen sind in der Regel immer am 3. Dienstag des Monats von 20 bis 22 Uhr im Haus der Lebenshilfe, Friedrich-Dannenmann-Straße 69. Weitere Fragen können an die Mail nachbarschaftsnetz.west @gmail.com gestellt werden.

Ein ghanaischer Sarg - gestaltet als Piroge. Bild: Rilling & Partner