Konstante Fahrrinne

Das neue Projekt von Dieter Ilg heißt B-A-C-H

Jazz kennt keine Grenzen, was die Herkunft des musikalischen Materials betrifft: So hat sich Dieter Ilg in seinem neuen Programm den berühmten Barockmeister und Urvater der europäischen Kunstmusik Johann Sebastian Bach vorgeknöpft. Der TAGBLATT ANZEIGER sprach mit dem Freiburger Kontrabassisten.

12.09.2018

Das neue Projekt von Dieter Ilg heißt B-A-C-H

Dieter Ilg gilt seit Anfang der 1990er-Jahre als Ausnahmeerscheinung in der deutschen Jazzlandschaft: Als Tieftonvirtuose, Komponist und Bandleader hat er als einer der wenigen den Durchbruch in der internationalen Jazzszene geschafft. Doch damit nicht genug: Bei seinem neuesten Projekt fungiert er als musikalisches Bindeglied zwischen Jazz und Klassik. Gemeinsam mit Rainer Böhm (Piano) und Patrice Héral (Schlagzeug) kreiert er einen Klangkosmos, der die Grenzen zwischen musikalischen Epochen und Genres aufhebt. Es ist vor allem Ilgs spezifische Spielart, aus dem Bass eine breite stilistische Vielfalt an Klängen herauszuholen, die für dieses Projekt stilprägend ist. Vor seinem von „Jazz im Prinz Karl“ veranstalteten Konzert in der Stiftskirche sprachen wir mit dem Bassisten über sein neues Projekt, bei dem er den mathematisch-strukturalistischen Kompositionen Bachs die „Freiheit des Jazz“ entgegensetzt.

Herr Ilg, was brachte Sie auf die Idee, den Barockmeister Bach zu verjazzen?

Dieter Ilg: ‚Verjazzen‘ ist eigentlich ein unschöner Begriff. Ich selbst ‚bearbeite‘ Melodien, Harmonien und Rhythmen des Meisters Bach. Als mitteleuropäischer Kontrabassist aus dem Genre Jazz befasse ich mich seit vielen Jahren inhaltlich mit der Musik meiner Väter und Mütter. Bezogen auf mein Trio mit Rainer Böhm und Patrice Héral umfasste diese Arbeit bisher die Beschäftigung insbesondere mit Giuseppe Verdi, Richard Wagner und Ludwig van Beethoven. Da liegen wir mit B-A-C-H in einer konstanten, nie austrocknenden Fahrrinne.

Worin liegt die Verbindung zwischen Jazz und klassischer Musik und speziell zu Bach?

Johann Sebastian Bach ist als Meister der Improvisation bekannt, gleichzeitig natürlich als Komponist. Improvisieren meint Komponieren aus dem Stehgreif. Jazz ist afrikanisch-europäische Musik, in Amerika entstanden, so die Geschichtsschreibung. Alles hängt miteinander zusammen und alles basiert auf den musikalischen und technischen Dingen, die zuvor entwickelt wurden.

Gibt es überhaupt natürliche Anknüpfungspunkte zwischen Johann Sebastian Bach und Jazz?

Absolut.

Muss man sich für klassische Musik interessieren, um dieses Projekt würdigen zu können?

Man muss sich sogar noch nicht einmal für Jazz interessieren. Es reichen Neugierde, Lust und vorurteilsfreie Sicht der Dinge.

Planen Sie nach Otello, Parsifal, Beethoven und nun Bach ein weiteres Projekt im kammermusikalischen Gewand?

Es gab und gibt ja bereits für die Händelfestspiele in Halle und Göttingen ein feines Gewand aus Alexanderfest und Wassermusik Georg Friedrich Händels, zudem eine Auftragsarbeit der Stadt Biberach hinsichtlich des Komponisten Justin Heinrich Knecht. Ich kann mir für weitere Tonkonserven und Liveauftritte in der Zukunft auch noch viele andere Projekte und Modelle vorstellen. Im Hier und Jetzt ist es B-A-C-H. Ansonsten gilt sooft als möglich: Eile mit Weile.

Sie spielen in ganz unterschiedlichen musikalischen Projekten und Formationen mit. Ist es nicht schwierig, sich kurzfristig immer umstellen zu müssen?

Meine Hauptarbeit unter eigenem Namen ist das Trio, mit dem ich in Tübingen auftreten werde. Dazu gesellt sich momentan das Duospiel mit Till Brönner sowie das Quartettspiel mit Thomas Quasthoff. Mich diesbezüglich umzustellen, fällt mir nicht schwer. Es ist ja nicht jeden Tag etwas völlig Neues auf dem Tisch. Und Abwechslung hält bekanntlich das Leben in Bewegung.

Das Gespräch führte Jürgen Spieß

Das Dieter Ilg Trio stellt sein neues Programm „B-A-C-H“ am Sonntag, 23. September, 20 Uhr, in der Tübinger Stiftskirche vor.