Der Kommentar

Gerechtigkeit geht anders

02.08.2017

Von Angelika Brieschke

Vergangene Woche konnte man im SCHWÄBISCHEN TAGBLATT lesen: „Der Personalrat der Stadt blockiert die übertarifliche Bezahlung von Kita-Leitungen“. Kurz gefasst ging es darum, dass Erzieherinnen, die städtische Kindertagesstätten leiten, nicht mehr – wie in Tübingen seit 26 Jahren üblich – mehr Geld erhalten als im Tarifvertrag vorgesehen.

Diesen Artikel musste ich dreimal lesen, um ihn einmal zu verstehen: Personalräte verweigern den von ihnen vertretenen Mitarbeiterinnen mehr Geld? Warum?

„Innerbetriebliche Gerechtigkeit“ – das erklärte der Personalrat dem schockierten Tübinger Gemeinderat, der gerne weiterhin mehr Geld für städtische Leitungs-Erzieherinnen ausgegeben hätte. Einfach, weil zu befürchten ist, sonst keine mehr nach Tübingen locken zu können. Erzieherinnen sind seit einigen Jahren Mangelware.

Nun ja, mit Gerechtigkeit hat das Gehalt von Erzieherinnen leider gar nicht viel zu tun. Die haben nämlich bis vor wenigen Jahren zum Heulen wenig bekommen – und das gilt, je nach Arbeitgeber, auch heute noch. Da gibt es schon noch einiges nachzuholen. Das Lohngefüge von Erzieherinnen wurzelt in einer Zeit, als die noch „Kindergartentanten“ waren und ihr Lohn nur als Dazuverdienst zum Haupternährer der Familie betrachtet wurde – zu mehr taugte das wenige Geld auch gar nicht.

Das hat sich erst in den vergangenen Jahren mit dem massiv gewünschten Ausbau an Kinderbetreuungsplätzen geändert. Zum Glück. Das war die einmalige Chance, diesen Beruf endlich aufzuwerten. Diesen vor allem von Frauen ausgeübten Beruf.

Denn, ganz nüchtern betrachtet, stellt sich die Frage, ob man solch ein bizarres Gerechtigkeitsproblem auch dann gesehen hätte, wenn es um einen Beruf gegangen wäre, den vor allem Männer ausüben.