Charmantes Kunterbunt

Gerettete Typografien: Lunette

Eine der schönsten geretteten Tübinger Typografien ist das fast zwei Meter hohe und 75 Zentimeter breite, handbemalte Plexiglas-Schild des ehemaligen Optikergeschäftes Lunette in der Neuen Straße 4.

09.09.2020

Für das Optikergeschäft in der Neuen Straße in Tübingen hatte Georg Mosbacher den Schriftzug „Lunette“ als dreidimensionale Holzlettern anfertigen lassen. Bild: Georg Mosbacher

Für das Optikergeschäft in der Neuen Straße in Tübingen hatte Georg Mosbacher den Schriftzug „Lunette“ als dreidimensionale Holzlettern anfertigen lassen. Bild: Georg Mosbacher

Das farbenfrohe Werbeschild wurde exakt für das untere Seitenschaufenster angepasst und befand sich 24 Jahre an ein und demselben Ort, so dass sein Zustand hervorragend war, als es im Mai 2018 ans Stadtmuseum übergeben werden konnte.

Die Optikerfamilie Georg und Martha Mosbacher übernahmen 1977 zunächst ein von Helmut Erbe gegründetes Geschäft in der Mühlstraße, bevor sie 1989 in die Neue Straße umzogen. Hier betrieben sie ihr Fachgeschäft bis 2013 in den Räumen des ehemaligen Konditorei-Cafés Bausch (1906 bis 1940), von dem die heute denkmalgeschützte Einrichtung stammt.

Die Schwester Georg Mosbachers bemalte das Lunetteschild mit einer mittelalterlichen Szene, die einen Optiker vor seinem Laden mit lesender Kundschaft zeigt. Das einprägsame Geschäftslogo zeigt eine Bügelbrille, die seit dem 15. Jahrhundert ohne beweglichen Steg gefertigt wurden (Nietbrille). Der von der Mühlstraße übernommene Geschäftsname „Lunette“ erscheint in einer typischen Schrift der Flower-Power-Zeit: viel Farbe, viel Fläche, rund und geschwungen. Dagegen erscheint der einer Frakturschrift nachempfunden Schriftzug „Der Optiker“ wie ein Bruch. Für den Rahmen ums Bild wählte die Künstlerin den Art-Nouveau-Stil. Ein Kunterbunt an Schriften und Stilen also – in diesem Fall aber sehr charmant.

Für das Geschäft in der Neuen Straße hatte Georg Mosbacher den Schriftzug „Lunette“ als dreidimensionale Holzlettern anfertigen lassen, die die Zeiten ebenfalls fast unbeschadet überstanden hatten. Leider sind sie verschürt worden.

Erfreulicherweise aber nimmt das neu eröffnete „Café Lunette“ gleich zwei Traditionen dieses Standortes wieder auf: das Café und den Optiker. So viel Geschichtsbewusstsein wünscht man sich mehr in Tübingen. Barbara Honner

Mit dieser Serie stellen wir Schriften vor, die Barbara Honner vor der Entsorgung gerettet und dem Tübinger Stadtmuseum übergeben hat.

Das Ladenschild des Optikergeschäftes Lunette in der Neuen Straße 4. Das Plexiglas wurde von Helga Mosbacher, der Schwester des Vorbesitzers Georg Mosbacher, mit einer mittelalterlichen Szene bemalt. Bild: Barbara Honner

Das Ladenschild des Optikergeschäftes Lunette in der Neuen Straße 4. Das Plexiglas wurde von Helga Mosbacher, der Schwester des Vorbesitzers Georg Mosbacher, mit einer mittelalterlichen Szene bemalt. Bild: Barbara Honner