Vorbild Volta Bold?

Gerettete Typografien: das Vegi

Der Gastronomiestandort in der Kornhausstraße 1 war 2008 für kurze Zeit in den bundesdeutschen Schlagzeilen, als Wirt Uli Neu vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich gegen das Rauchverbot in kleinen Gastronomien klagte.

22.09.2021

2017 fürs Tübinger Stadtmuseum gerettet: Das Schild der Vegi-Gaststätte. Bild: Barbara Honner

2017 fürs Tübinger Stadtmuseum gerettet: Das Schild der Vegi-Gaststätte. Bild: Barbara Honner

Dennoch musste er seine Kneipe 2009 nach 23 Jahren schließen. Tübingen verlor damit eines seiner beliebtesten und traditionsreichsten Lokale.

Seit 2013 findet der Gast hier das „Vegi“, das eine lockere und gelassene Atmosphäre mit vegetarischen Speisen, Café- und Barbetrieb vereint. Das blaue Schild mit seinen einprägsamen Buchstaben über dem Eingang hatte einen Wiedererkennungseffekt. Die Aufschrift war eine der ersten Stadtschriften und konnte 2017 für das Stadtmuseum Tübingen 2017 gerettet werden. Heute begegnet man über dem Café-Eingang einer ähnlichen Wortmarke.

Die Suche nach einer Schrift gleicht nicht selten der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Zahllose Adaptionen, Klone und Nachbildungen von Originalen sowie die individuellen Eingriffe von Grafikern und Herstellern von Schildern machen eine Bestimmung oft nahezu unmöglich.

Ein Vorbild für das Vegi könnte die schöne Volta Bold gewesen sein, eine schwarze Akzidenzschrift mit ausgeprägten Serifen. Sie gehört zur Schriftgruppe der „Egyptiennes“, die Anfang des 19. Jahrhunderts zunächst nur als Auszeichnungsschrift für auffällige Werbeschriften, später aber auch zur Leseschrift ausgebaut wurden. Der Übergang zu unseren herkömmlichen Antiqua-Schriften, wie wir sie in unserem klassischen Romanen finden, ist fließend.

Die Volta wurde 1955/56 von Walter Baum zusammen mit Konrad F. Bauer gestaltet. Gelernter Schriftsetzer der eine, promovierter Kunstgeschichtler der andere, lernten sie sich in jeweils leitender Position in der berühmten Bauer’schen Gießerei in Frankfurt am Main kennen und entwarfen zusammen noch einige schöne Schriften.

Das Vegi-Schild hielt nach seiner Rettung außerdem eine kleine Sensation bereit. Dazu mehr in der nächsten Folge über die geretteten Tübinger Altstadtschriften.Barbara Honner

Mit dieser Serie stellen wir Schriften vor, die Barbara Honner vor der Entsorgung gerettet und dem Tübinger Stadtmuseum übergeben hat.

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Erstellt:
22.09.2021, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 51sec
zuletzt aktualisiert: 22.09.2021, 01:00 Uhr

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