Gegen den Zeitgeist gebürstet

Götz Alsmann & die SWR Big Band kommen in die Reutlinger Stadthalle

Es gibt sie noch, die Perlen der Popularkultur. Götz Alsmann ist der Beweis. Am 19. Januar tritt der Entertainer und Sänger mit der unverkennbaren Haartolle und der extravaganten Buddy-Holly-Brille mit der 17-köpfigen SWR Big Band in der Reutlinger Stadthalle auf.

10.01.2018

Götz Alsmann zeigt, dass Erfolg vom Können abhängig ist. Bild: Jürgen Spieß

Götz Alsmann zeigt, dass Erfolg vom Können abhängig ist. Bild: Jürgen Spieß

Kann sich noch jemand an die gute, alte Melodica erinnern? Das ist dieses kleine Instrument, in das man hineinblasen kann und gleichzeitig klimpert man auf einer Tastatur akkordeonähnliche Melodien. Wer sie bediente, sah stets ein wenig ungelenk aus. Konnte man zudem nicht richtig spielen, klang sie schauderhaft.

Bis Ende der 1970er-Jahre lag die Melodica als Einstieg in die Welt der selbstgespielten Musik in vielen Kinderzimmern herum. Dann verschwand das Teil allmählich, wurde zum Relikt einer vergangenen Zeit. Also genau das richtige Instrument für einen wie Götz Alsmann, der sich musikalisch mit Leib und Seele diesen Zeiten verschrieben hat. Mal begleitete er Bibi Johns bei „Mackie Messer“ auf eben jener Melodica, dann spielte er sie auf seinem aktuellen Album „In Rom“ und selbst im Verbund mit der 1951 als Südfunk-Tanzorchester von Erwin Lehn gegründeten SWR Big Band verzichtet der Münsteraner nicht auf das kleine Tasteninstrument.

Neben der Stuttgarter Bigband unter der Leitung von Klaus Wagenleiter sind auf der aktuellen Zeitreise in die Unterhaltungskunst der Wirtschaftswunder-Republik noch Gastsängerin Caroline Kiesewetter dabei. Eigentlich ist die Hamburger Schauspielerin, die vor allem durch TV-Serien wie „Soko 5113“ oder die „Sesamstraße“ bekannt geworden ist, keine typische Vertreterin jener Zeit, in der sich der Schlager noch genreübergreifend zeigte. Aber Caroline Kiesewetter ist eine hervorragende Jazzsängerin. Auch klassische italienische Schlager, die an diesem Abend im Mittelpunkt stehen, beherrscht sie aus den Effeff. Sie sieht jedenfalls wie Alsmann keinen Widerspruch darin, auf Songs von Nat King Cole oder Gilbert Bécaud etwas Schräges wie „Ciao, Ciao Bambina“ oder etwas Schmachtendes wie „Azzurro“ folgen zu lassen.

Die in der Reutlinger Stadthalle präsentierte Götz-Alsmann-Show trägt den Titel „Beswingt ins Neue Jahr“ und zelebriert die Wiedervereinigung der Genres Jazz, Schlager, Jive, Mambo, Swing und Boogie, indem sie die Unterschiede einfach ignoriert. So war es damals üblich, und so passen auch Nummern von Brecht/Weill, Eddie Constantine, Rocco Granata oder Paolo Conte in dieses Unterhaltungsprogramm. Der ungekrönte König des deutschen Jazz-Schlagers ist ein Allround-Talent, nicht nur als Moderator, sondern auch als Musiker und Sänger.

Dass Götz Alsmann sich auf der Bühne am wohlsten fühlt, wenn er Musik macht, wissen die wenigsten. Bereits vor 45 Jahren gründete der 60-jährige Münsteraner seine erste Band, mit der er drei Platten aufnahm. Ab 1977 studierte er Germanistik, Publizistik und Musikwissenschaft und schloss 1985 mit einer Promotion ab. Nach dem Studium spielte Alsmann in verschiedenen Bands, war als Moderator im Radio und Fernsehen tätig und schaffte 1996 mit der WDR-Sendung „Zimmer frei“ den bundesweiten Durchbruch. Der zweifache Echo-Gewinner und Adolf-Grimme-Preis-Träger ist mittlerweile Honorar-Professor an der Westfälischen Wilhelms-Universität und hat seit 1982 insgesamt 27 Alben und Hörbücher veröffentlicht.

Gerade im Unzeitgemäßen liegt der Reiz seiner Schlager-Couplets und Swing-Antiquitäten. Denn es zeigt, dass ein Erfolg irgendwann einmal nicht alleine von Marketing, Aussehen und dem richtigen Produzenten abhängig war, sondern vom Können. Jürgen Spieß

Götz Alsmann und die SWR Big Band treten am Freitag, 19. Januar, 20 Uhr in der Stadthalle Reutlingen auf. Gast ist Caroline Kiesewetter.

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Erstellt:
10.01.2018, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 10.01.2018, 01:00 Uhr

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