Der Kommentar

Gurgeln mit Brille

23.09.2020

Von Angelika Brieschke

Der Sommer ist vorbei – definitiv. Mit dem gestrigen Dienstag hat der Herbst auch kalendarisch begonnen. Für die Meteorologen ist der ja merkwürdigerweise immer schon ab dem 1. September angebrochen, obwohl das Wetter da meist noch andere Pläne hat.

Aber jetzt geht’s los. Und zwar nicht nur mit der depressionsfördernden stundenlangen Dunkelheit und dem nass-grauen Wetter. Sondern dieses Jahr auch mit den düsteren Voraussagen der Fachleute, die zur Corona-Pandemie was zu sagen haben und die zum Großteil mit folgendem Satz hinreichend zitiert werden können: „Wir werden höhere Infektionszahlen haben.“

Zweifellos. Aber Bange machen gilt nicht. Positives Denken ist das Gebot der Stunde.

Ja, wir werden wieder mehr in geschlossenen Räumen sein und wir werden auch wieder mehr zu Hause sein. Wenn das nicht die Gelegenheit ist, brachliegende Hobbies neu zu beleben. Wir können großartige Fotoalben vergangener Urlaube gestalten, quietschbunte Pullover stricken, eine Photovoltaik-Anlage zusammenlöten, ernährungsbewusst kochen lernen, Kastanien-Männchen basteln, Hausmusik machen und endlich eine Sauna im hauseigenen Keller einbauen.

Und – doch ja – wir können weiterhin nach draußen gehen, auch wenn die Außentemperaturen einstellig und weniger werden. Jetzt ist die Zeit gekommen, sich unseren klimatischen Verhältnissen zu stellen und wir fangen am besten sofort an zu üben, mit dicken Winterjacken und flauschigen Wolldecken draußen zu sitzen. Schließlich wollen wir weiterhin Freunde in Gaststätten – draußen – treffen. Ich wette mit Ihnen, spätestens an Silvester sind wir alle in der Lage, im Freien mehrere Stunden bei Minusgraden auszuharren. Ohne Warmduscher-Heizpilze natürlich. Mit kältegestähltem Körper ins nächste Frühjahr – das wird toll.

Außerdem werden wir viel Zeit für extensives Internetsurfen haben. Auch das hilft, wirklich. Werden wir doch dort täglich mit neuen erstaunlichen Erkenntnissen über Corona versorgt. Wie gerade jetzt zum Beispiel mit folgendem: Gurgeln mit Mundwasser schadet möglicherweise dem Virus. Oder: Brillenträger sind vielleicht weniger Corona-anfällig als Nicht-Brillenträger. Fehlen zwar noch belastbare Studien dazu, aber wer braucht die schon. Also schnell eine Brille besorgen?

Ich finde: Warum nicht? Wir haben gelernt, mit einem wenig kleidsamen Stoffteil das halbe Gesicht zu bedecken. Was sollte uns daran hindern, zudem mit einer möglichst großformatigen Brille aus dem Günstig-Segment in der Öffentlichkeit unterwegs zu sein? Eitelkeit? Geschenkt, die liegt uns Schwaben mit Pietismus-Hintergrund sowieso eher fern. Angelika Brieschke

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Erstellt:
23.09.2020, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 11sec
zuletzt aktualisiert: 23.09.2020, 01:00 Uhr

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