Aus der Luft und zu Fuß (28)

Hagelloch

In Hagelloch hagelt es nicht öfter als anderswo. Der Name setzt sich aus den Begriffen „Hag“ und „Lohe“ zusammen, was man am besten mit „Siedlung am dornigen Wald“ übersetzen könnte. Von dieser Siedlung, beziehungsweise von einem gewissen Rupert, der aus Hagelloch kommt, ist 1106 zum ersten Mal die Rede, weshalb man 2006 ein 900-jähriges Dorfjubiläum gefeiert hat. Der Ort ist aber wahrscheinlich viel älter.

02.05.2018

Von Andrea Bachmann

Bilder: Erich Sommer

Bilder: Erich Sommer

Zunächst gehörte er den Pfalzgrafen von Tübingen. Die waren fromm und freigebig, was vielleicht ihrem Seelenheil geholfen, ihrem Geldbeutel hingegen geschadet hat. 1296 verkaufte Pfalzgraf Gottlieb Hagelloch deshalb an das Kloster Bebenhausen. Da blieb es bis 1807. Allerdings hatten auch das Kloster Blaubeuren, das Augustinerkloster in Tübingen und die Kellerei in Liebenzell Besitz im Ort. Noch 1566, nach der Reformation, verzeichnen Bebenhäuser Lagerbücher detailliert Rechte und Besitz in Hagelloch: neben niederen Gerichtsbarkeiten verschiedene Zehnte, eine Zehntscheuer, Fischweiher, dazu 10 Häuser mit 75 ha Besitz sowie weitere Zinseinnahmen, sogenannte Herbst- und Martinihühner.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts kam Hagelloch zu Herrenberg und 1842 dann nach Tübingen. Da war Hagelloch ein kleines Steuerparadies, denn so niedrige Steuersätze wie dort musste man nirgendwo sonst zahlen. Sogar ein paar Professoren, zum Beispiel Carl Liebermeister, fanden das attraktiv genug, um in dem kleinen Ort am Schönbuchrand zu residieren. Heute sind es wohl nicht so sehr die niedrigen Steuern, sondern vor allem die hinreißende Lage am südlichen Schönbuchrand inmitten von Obstwiesen und frei von Durchgangsverkehr und Industriegebieten, die Hagelloch zu einem besonders attraktiven Tübinger Teilort machen.

Die Klöster, die im Mittelalter Abgaben und Frondienste von den Bewohnern Hagellochs forderten, scheinen hingegen kaum Gedanken an deren spirituellen Bedürfnisse verschwendet zu haben. Erst als ein Mann aus Unterjesingen, der ein Mädchen aus Hagelloch geheiratet hatte, 1473 die dafür erforderlichen Mittel stiftete, baute man im Dorf eine Kapelle, die Maria und Johannes geweiht war und zwanzig Jahre später bemühten sich Schultheiß, Gericht und Gemeinde mit Hilfe einer weiteren Stiftung um die Einstellung eines Priesters. Bis dahin gab es seelsorgliche Betreuung nur in Tübingen, das war jedoch gefährlich für „jungen Kinder, die man zur heiligen Tauf getragen, desgleichen für die schwangeren Weibspersonen.“

Der erste Priester hieß Johannes Mettelin und kam aus Tübingen. Die kleine Kapelle wurde durch eine Kirche ersetzt, von der man gar nichts weiß, außer dass sie im 19. Jahrhundert als so baufällig galt, dass man 1869 mit einer württembergischen Landeskollekte den finanziellen Grundstock für einen neuen Kirchenbau legte. 1902 wurde die alte Kirche abgerissen und nach unzähligen Stunden Eigenleistung der Hagellocher Handwerker entstand die neuromanische Kirche, die Baurat Theophil Frey aus Stuttgart entworfen hatte und die als Musterbeispiel für eine anständige evangelische Kirche dieser Zeit galt. Zum Gesamtkonzept gehörten damals auch der Orgelprospekt und die Bestuhlung, sodass die Hagellocher Kirche vom Landesdenkmalamt unter Ensembleschutz gestellt wurde.

Gegenüber der Kirche steht das Rathaus, das 1956 gebaut wurde. Der Tübinger Bildhauer Ugge Bärtle schmückte es mit einem Sgraffito. Das gefiel den Hagellochern wohl so gut, dass sie Bärtle zehn Jahre später auch mit einem Mahnmal für die Kirche beauftragten, das eine Mutter mit ihrem Kind darstellt.