Der Kommentar

Heulbälle und Fahrradreifen

20.09.2023

Von Werner Bauknecht

Man kann es typischerweise wieder an den politischen Richtungen festmachen, wo die Grenzen zur Einschätzung der Änderungen der neuen Regeln der Bundesjugendspiele (BJS) verlaufen. Denn die sollen jetzt nicht mehr Wettkampf sondern Wettbewerb sein. Der Unterschied erschließt sich den meisten Menschen vermutlich nicht auf Anhieb. Aber letzten Endes soll es darum gehen, dass der Leistungsgedanke jetzt schon bei den Schülern und Schülerinnen der Klassen 1 bis 4 ausgehebelt werden soll. Sagen Protagonisten der CDU und der FDP. Die grüne Kultusministerin im Land, Theresa Schopper, sieht dagegen die Leistungsgesellschaft nicht in Frage gestellt. Außerdem habe man auf der Welt Wichtigeres zu diskutieren. Was genau ist der Job der Frau?

Aber worum geht es genau? Nicht mehr die drei Disziplinen Laufen, Werfen Springen werden bei den BJS abgefragt, sondern geworfen wird jetzt mit Heulbällen oder aus der Drehung mit Fahrradreifen. Und weitgesprungen wird mit einem Stab. Und nicht mehr die absolute Weite zählt dann, sondern es werden Zonen ausgewiesen, in die man hüpft. Hintergrund: Die schlechten Sportler und Sportlerinnen werden nicht mehr gedemütigt, wenn sie versagen, das Spielerische dabei mache mehr Laune und Freude. Und weil mehr Disziplinen dazu kommen, würden die Wartezeiten kürzer, in denen die Kinder eh bloß herumlungerten. Es sollen Pädagogen dabei gewesen sein und Vertreter der sportlichen Spitzenverbände in Deutschland, als die Regeln beschlossen wurden. Wieso merkt man nichts davon? Haben die jemals bei BJS zugeschaut? Bei dem Gewusel? Von wegen Wartezeiten und Tatenlosigkeit.

Kinder in dem Alter messen sich ständig, ob im Sport, in der Freizeit, beim Zocken am PC oder in ihrem Style. Mal verliert man, mal gewinnt man. So wird man erwachsen. Ja, es gibt Kinder, die im Sport schwach sind, auch bei den Bundesjugendspielen. Und da sind sie frustriert. Das ist ein Tag pro Jahr in ihrer Schulkarriere. Sportunterricht haben sie jede Woche. Soll man da jetzt auch einen Ringelpiez in Zonen veranstalten? Und was machen die Schüler, die jede Mathearbeit verhauen und darunter leiden? Dürfen sie jetzt Ergebnisse abliefern in Zonen – sie muss nur ungefähr richtig sein, die Addition. Letzten Endes führt das doch dazu, dass versucht wird, die Kinder genau vor dem zu schützen, was sie in ihrer nachschulischen Biografie ein Leben lang begleiten wird: Dass gelegentliches Scheitern zum Leben gehört. Die Erkenntnis daraus ist eine Binse: Man lernt und wird stärker oder zumindest schlauer.

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Erstellt:
20.09.2023, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 16sec
zuletzt aktualisiert: 20.09.2023, 01:00 Uhr

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