Linsen, Felsen und Pfaffenkreuze

Hinaus ins Grüne: Rundwanderung zum verwunschenen Märchensee

Diese sehr abwechslungsreiche Rundwanderung entführt uns an den zauberhaften Märchensee und durch die idyllischen Orte Oberndorf und Wendelsheim.

07.09.2016

Von Arndt Spieth

Hinaus ins Grüne: Rundwanderung zum verwunschenen Märchensee

Wir starten in Wendelsheim an der Bushaltestelle „Post“ in der Windolfstraße beim Brunnen. Das hübsche Dorf am Arbach wurde 1180 erstmals als „Windolfheim“ urkundlich erwähnt. Es geht bergauf und wir folgen der Windolfstraße unterhalb der Kirche nach rechts durch den lauschigen Ort. Unser Weg ist bis zur Oberdorfer Kirche St. Ursula mit dem Pilgerzeichen des Martinuswegs (orangenes Kreuz auf rotem Hintergrund) gekennzeichnet. Der „Via Sancti Martini“ führt bis nach Tour an der Loire, der Grablege des heiligen Martin. In der Steinbruchstraße halten wir uns links und spazieren hoch bis zum Waldrand, wo wir uns links halten. Bald erreichen wir eine Aussichtsplatte, von der wir an klaren Tagen eine faszinierende Sicht auf die Schwäbische Alb haben: Links der Roßberg mit dem Aussichtsturm, in der Mitte der Hohenzollern mit den spitzen Türmen und ganz rechts der 1002 Meter hohe Plettenberg mit seinem Fernmeldeturm. Wir gehen hoch in den Wald und halten uns am Schild „Naturdenkmal“ links.

Unser Pfad führt uns durch eine schwarzwaldähnliche Naturlandschaft, die durch den geologisch anstehenden Schilfsandstein reich an Moosen, Heidelbeeren und Farnen ist. Das Gelände wird felsiger und wir erreichen den Märchensee zwischen moosig eingegrünten Felsabbrüchen. Die gesamte Wasseroberfläche ist durch kleine Wasserlinsen in ein intensives Grün getaucht, was dem Ganzen etwas Märchenhaft-Verwunschenes verleiht. Das hatten wohl auch die ursprünglichen Namensgeber so empfunden. Früher wurde erzählt, dass der See in einer Nacht vollgelaufen sei, und alle Werkzeuge der Steinbrucharbeiter im Wasser verschwanden.

Unser Weg führt rechts am Weiher vorbei und wir wandern geradeaus durch den früheren Steinbruch. Links die bizarren Felsen, Lebensraum für zahlreiche seltene Pflanzen und Insekten, rechts die inzwischen dornröschenhaft eingewachsenen Abraumhalten der Steinbrecher. Der Schilfsandstein entstand im Mittleren Keuper, als mächtige Flüsse hier überall große Sandmassen ablagerten. Er ist ein guter und beständiger Werkstein, auch für filigrane Steinmetzarbeiten. Er wurde schon im Mittelalter gerne für den Bau von Kirchen verwendet. Der Abbau begann um 1700 und endete 1965. Danach wurde das einzigartige Biotop unter Schutz gestellt, auch weil es hier eine kleine Population mit seltenen Geburtshelfer-Kröten gibt.

Wir gehen den interessanten Naturlehrpfad weiter, der Steinbruch öffnet sich und die Vegetation wird lichter. An einigen Stellen sehen wir noch kleinere Teiche, wichtiger Lebensraum für seltene Amphibien, die nicht gestört werden sollten. Schließlich schwenkt der Weg an einer hölzernen Infotafel nach links und wir erreichen nach einem Grillplatz einen geschotterten Waldweg. Hier geht es nach links und wir halten uns danach nochmals links. Diesem Hauptweg folgen wir für längere Zeit, bis uns das Kreuz des Martinuswegs rechts hoch zur Kapelle auf dem Tannenrain führt. Ihr Bau wurde 1944 spontan bei einem Bombenangriff auf Oberndorf gelobt, falls der Ort vor der Zerstörung verschont bleiben würde. Oberndorf blieb verschont und 1945/46 entstand die malerische Marienkapelle samt dem ins Dorf führenden Kreuzweg. Über diesen Kreuzweg jenseits der Kapelle steigen wir bergab und folgen dem Pilgerwegsymbol bis zur Kirche St. Ursula. Unterwegs haben wir immer wieder schöne Ausblicke. Es fällt auf, dass viele Dächer Oberndorfs Photovoltaikanlagen haben: Der als „Solardorf“ ausgezeichnete Ort gehört heute zur Spitzengruppe der „Solarbundesliga“ und seit 2006 gibt es hier das „Sonnenzentrum“, ein Solarinformationszentrum mit eigener Gastronomie, der „Sonne“.

Im Ortszentrum sehen wir das „Rössle“, eine Einkehrmöglichkeit, und die Kirche St. Ursula. Sie ist tagsüber geöffnet und vor allem wegen ihres spätgotischen Schnitz-Altars (um 1510/15) aus einer oberrheinischen Werkstatt sehenswert. Es wird vermutet, dass der Altar nach der Reformation vom Kloster Bebenhausen hierher gekarrt wurde, um ihn vor der Zerstörung zu retten. Weiter geht es die Rottenburger Straße links hoch und wir kommen an einigen alten Fachwerkhäusern aus dem 16./17. Jahrhundert vorüber. Wer das Solarzentrum besuchen und in der „Sonne“ einkehren möchte, geht die Straße ganz durch, quert oben die Landesstraße und nach wenigen Schritten rechts.

Ansonsten biegen wir die Wendelsheimer Straße links ein, und gehen links an der Oberndorfer Friedenslinde vorbei, ein imposanter Baumriese von 1870. Nach dem Sportgelände gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder folgen wir dem geschotterten Weg nach den Tennisplätzen rechts hinunter, und halten uns nach der ersten Rechtskurve schräg links. Der Feldweg führt uns weiter unten auf den asphaltierten Radweg, dem wir nach links bis Wendelsheim folgen.

Eine abwechslungsreichere Variante sind die Fußpfade entlang der Waldränder. Allerdings empfiehlt sich hier bei nassem Wetter geeignetes Schuhwerk. Wir wandern hoch zum Waldrand, gehen ein kurzes Stück auf dem Schotterweg durch den Wald und an der Linkskurve weiter geradeaus. Am Waldrand angekommen halten wir uns links. Nach schönen Ausblicken kommen wir in den Wald, der Weg verengt sich zu einem Fußpfad, schwenkt allmählich nach rechts und führt zwischen Bäumen hinunter in ein lauschiges Waldtälchen. Danach gehen wir den kurz ansteigenden Weg geradeaus weiter und kommen auf ein freies Gelände am Hang. Vor einer freistehenden Pappel gabelt sich der Wiesenweg. Wir wählen den rechten Pfad, der uns direkt oberhalb der Äcker leicht bergab zum Wald führt. Dort schwenkt der Weg nach rechts und wir folgen dem Waldrand talwärts. Weiter unten verläuft der Weg erst nach links, und dann, auf den Wiesen vor dem Häckselplatz, nach rechts. An der nächsten T-Kreuzung halten wir uns links und gelangen über den asphaltierten Radweg nach Wendelsheim. Am Ortseingang sehen wir rechts neben einer alten „Grub(Ruh-)bank“ noch zwei mittelalterliche Sühnekreuze zwischen einem barocken Bildstock. Ein Kreuz erinnert vermutlich an den dort erschlagenen Wendelsheimer Kaplan Jung Hanß Hartmann, für den 1565 eine Sühnestiftung eingerichtet wurde. Das zweite Steinkreuz könnte mit dem Mord eines Mannes 1504 durch zwei Brüder zusammenhängen. Laut einer alten Erzählung sollen hier aber zwei Geistliche erschlagen worden sein und die Flur heißt bis heute „Pfaffenkreuze“.

Wir gehen weiter zum malerischen Dorfkern mit der Kirche St. Katharina und dem Rathaus. Im gotischen Chor der Kirche haben sich Wandmalereien von 1380/1400 erhalten. Auf 23 Bildfeldern wird hier der Passionszyklus gezeigt. Der Chor war ursprünglich die Kapelle eines abgerissenen Schlosses. Das Kirchenschiff und Lourdesgrotte im Untergeschoss entstanden 1896.

Weiter die Straße bergab erreichen wir den Ausgangspunkt der Wanderung. Hinter dem angestauten Arbach lohnt sich ein Blick auf das parkähnliche Gelände mit originellem Echsenbrunnen und einer alten Steinmühle. Arndt Spieth / Bilder: Spieth

Länge: 8,5 Kilometer

Höhenunterschied: 175 Meter

Gehzeit: 2,5 Stunden

Einkehrmöglichkeit: Gasthof Rössle in Oberndorf

Arndt Spieth hat im Silberburg-Verlag einen Stadtwanderführer „Kreuz und quer durch Tübingen“ veröffentlicht.

Der Märchensees ist durch kleine Wasserlinsen in ein intensives Grün getaucht, was ihm etwas Märchenhaft-Verwunschenes verleiht.

Der Märchensees ist durch kleine Wasserlinsen in ein intensives Grün getaucht, was ihm etwas Märchenhaft-Verwunschenes verleiht.

Hinaus ins Grüne: Rundwanderung zum verwunschenen Märchensee