Steine, Wein und der Froschkönig

Hinaus ins Grüne: Tour de Wendelsheim

Dieses Mal ist der Märchensee Dreh- und Angelpunkt der Wanderung, erschlossen aus einer eher unbekannten Richtung. Neben dieser einzigartigen Naturlandschaft gibt es auch einiges von dem alten Wengerter- und Steinbrecherdorf Wendelheim zu sehen.

17.11.2021

Stand- und Endpunkt der „Tour de Wendelsheim“: Die Kirche St. Katharina.Bilder: Arndt Spieth

Stand- und Endpunkt der „Tour de Wendelsheim“: Die Kirche St. Katharina.Bilder: Arndt Spieth

Die Tour ist eher ein längerer Spaziergang, was der kurzen Tageszeit im November geschuldet ist. Ungeachtet dessen bietet sie aber viel Interessantes und Schönes – eine ideale Runde bei Sonnenschein wie auch an einem grauen Tag. Die Wege sind oft nicht bezeichnet, aber meist gut ausgebaut. Im alten Steinbruchgelände beim Märchensee sind sie unbefestigt und teilweise nass und rutschig. Daher sind wasser- und rutschfeste Wanderschuhe sowie Trittsicherheit wichtig.

Steinkunst im Dorf

Startpunkt ist die Bushaltestelle „Post“ in der Windolfstraße. Sie befindet sich unterhalb der Kirche St. Katharina beim Dorfbrunnen mit der Inschrift „Benedicite, fontes, Domino“. An den alten Steingebäuden und verschiedenen Brunnenfiguren wie unten am Eisweiher erscheint ein Echsengesicht hier oder der „Gute Hirte“ dort, und etwas weiter oben zeigt ein Steintrog mit Steinfratze, dass Wendelsheim kein gewöhnliches Dort ist. Steinhauer und Steinmetze haben hier eine lange Tradition und ihren alten Steinbruch im Schilfsandstein des Pfaffenbergs werden wir bald erwandern.

Weiter oben, nach einem weiteren, recht urigen Steinbrunnen, biegen wir in die Steinbruchstraße nach links Richtung Märchensee. Nach der Grundschule sehen wir rechts ein Wegekreuz und folgen hier dem asphaltierten Weg links, parallel zur Steinbruchstraße. Vor der Rechtskurve halten wir uns links und folgen dem Schotterweg unterhalb der idyllischen Wendelsheimer Weinberge.

Wir stoßen auf einen asphaltierten Weg, gehen hier kurz rechts und spazieren links geradeaus in den hohlwegartigen Schotterweg mit Nussbäumen und einer uralten Eiche. Er führt uns weiter am Fuße alter Weinberge entlang, von denen hier zwischen Bäumen und Büschen aber nur noch Mauerreste und eingewachsene Steintreppen zu sehen sind. Schließlich erreichen wir den Wald und folgen nach unbefestigten Waldwegen dem geschotterten Hauptweg rechts hoch. Oben kommen wir auf eine T-Kreuzung und biegen nach rechts.

Werkzeug im See?

Bald sehen wir das abgesperrte Steinbruchgelände von oben, und bei einem Grillplatz halten wir uns abermals rechts. Im Steinbruchgelände folgen wir dem Weg Nr. 7 nach rechts und wandern auf dem Naturlehrpfad mit Infotafeln durch die urige Felsenwelt. Der Schilfsandstein entstand im Mittleren Keuper, als mächtige Flüsse hier große Sandmassen ablagerten. Er ist ein guter und beständiger Werkstein und auch für filigrane Steinmetzarbeiten wie gotisches Maßwerk an Kirchenfenstern geeignet.

Der Abbau begann um 1700 und endete 1965. Danach wurde das einzigartige Biotop unter Schutz gestellt, auch weil es hier eine kleine Population mit seltenen Geburtshelferkröten gibt. Das ganze Gelände ist Wildruhegebiet und man sollte auf den Wegen bleiben, um Tiere nicht zu stören. Die Schlucht zwischen den bemoosten Felsen rechter Hand und den eingewachsenen Abraumhalden links wird enger.

Am Wegrand sieht man kleine Steinfiguren und an den blockigen Felswänden sieht man noch Bearbeitungsspuren der Steinbrecher. Schließlich gelangen wir an den Märchensee, der nicht ohne Grund diesen Namen erhalten hat, liegt er doch lauschig eingegrünt zwischen Sandsteinfelsen und einem Wald, der reich an Moosen, Heidelbeeren und Farnen ist. Im Sommer wird die Wasseroberfläche durch kleine Wasserlinsen in ein intensives Grün getaucht und es würde niemand wundernehmen, wenn da plötzlich der Froschkönig auftauchte. In Wendelsheim wird erzählt, der See sei in einer Nacht vollgelaufen und hätte alle Werkzeuge der Steinbrucharbeiter verschluckt.

Wir wandern am See entlang weiter und erreichen am Waldrand einen schönen Aussichtspunkt. Unterhalb schmiegt sich Wendelsheim malerisch an die Weinberge und Obstwiesen, dahinter liegt das Neckartal und der Horizont wird vom langen Trauf der Alb abgeschlossen. Rechts sehen wir einen bewaldeten Hubbel, die Heuberger Warte und links davon die Stadt Rottenburg.

„Glaubet, Hoffet, Liebet“

Wir steigen hier die Treppenstufen hinunter und halten uns oberhalb der Reben rechts. Vorbei an einem schön gelegenen großen Bildstock mit der Inschrift „Glaubet, Hoffet, Liebet“ wandern wir oberhalb der Weinberge und kommen durch ein Waldstück. Am anderen Ende biegen wir links hinunter und stoßen unten wieder auf die Kreuzung zu Beginn der Tour. Diesmal gehen wir den asphaltierten Weg geradeaus weiter und erreichen unten den Ortsrand. Nun geht‘s die Schloßgrabenstraße nach links und in der Märchenseestraße nach rechts. Diese führt uns direkt in die Steinhauergasse, wo früher Steinhauerfamilien gelebt haben. Schließlich erreichen wir die Kirche mit dem villenartigen Rathaus. Steinhauer und -metze haben hier einen an Frankreich erinnernden Dorfkern geschaffen, der gut erhalten geblieben ist.

Die Kirche St. Katharina wurde im 19. Jahrhundert erweitert und neugotisch umgestaltet und besticht innen durch Fresken aus der Gotik (1380/1400) und dem Manierismus sowie Heiligenfiguren aus den verschiedensten Epochen. Unterhalb der Kirche endet diese Tour wieder. Arndt Spieth

Tourlänge: 4,8 Kilometer

Gehzeit: 1,2 Stunden

Höhenunterschiede: 89 Meter

ÖPNV: Buslinie 18 am Busbahnhof Tübingen oder Rottenburg, Bushaltestelle „Adlerplatz“

GPS-Track: https://out.ac/IGAzg4

In Wendelsheim gibt es Steinmetzkunst zu entdecken.

In Wendelsheim gibt es Steinmetzkunst zu entdecken.