Wohnhöfe und Weitblicke

Hinaus ins Grüne: Von der Alten Weberei über den Herrlesberg nach Lustnau

Wohnhöfe, Weitblicke und alte Villen: Diesmal geht unsere Wanderung von Tübingens buntem Wohnquartier „Alte Weberei“ über den Herrlesberg und Berghof nach Lustnau.

19.02.2020

Im alten Ortskern von Lustnau: hier die Steige mit Kirche im Hintergrund. Bilder: Arndt Spieth

Im alten Ortskern von Lustnau: hier die Steige mit Kirche im Hintergrund. Bilder: Arndt Spieth

Wir beginnen diese abwechslungsreiche Wanderung an der Kreuzung Nürtinger Straße mit der Gartenstraße. Zunächst folgen wir dem linken Ammerufer und biegen in das bunte Wohnviertel Alte Weberei.

Auf dem Uferweg kommen wir am Wohnhof 1 vorbei. Blickfang ist das Gebäude des Wohnprojekts ‚Licht + Luft‘ mit seinen grünlich-schimmernden Sonnenkollektoren: ein Plus-Energiehaus für neun Wohneinheiten. Plus-Energiehaus deshalb, weil die Photovoltaik-Anlage an Dach und Fassade mehr Strom erzeugt, als die Bewohner verbrauchen. Gleich daneben steht das viergeschossige ‚Cambium‘, eines der ersten komplett in Holzbauweise erstellten Objekte dieser Größe in Tübingen. Im selben Hof befindet sich die Baugemeinschaft ‚Vor Ort‘ mit Atelierwohnungen für Künstler. Für diesen Wohnhof mussten rund 250 Betonpfähle in die Erde gerammt werden, die Halt im Ammer- und Neckarschlamm geben. Wir gehen bald am Neckarufer weiter und halten uns in der Kusterdinger Straße links. An der Kreuzung am Egeria-Platz gehen wir geradeaus durch die Jörg-Unkair-Straße, rechts vom dunkelgrauen ehemaligen Egeriagebäude, bis zur Weiherhaldenstraße. Hier halten wir uns links. An der Kreuzung mit der Dorfstraße biegen wir vor einem alten Trogbrunnen von 1866 in die Steige ein und folgen dieser bergauf. Auf halber Höhe passieren wir das Gebäude Nr. 14, das bis zur Eingemeindung 1934 das Lustnauer Rathaus war.

Oben kommen wir in die Steinbößstraße. An der Kreuzung stehen noch ein paar hübsche alte Bauernhäuser, die früher den Dorfrand bildeten. Wir biegen rechts ein und folgen der Friedhofstraße bergauf. Zwischen den Einfamilienhäusern aus den 1950er- bis 1970er-Jahren bieten sich immer wieder schöne Ausblicke auf das Neckartal. Auf der anderen Straßenseite sehen wir den Lustnauer Friedhof, der bald von Wiesen abgelöst wird. Am Beginn der Wohnsiedlung Herrlesberg halten wir uns links und gelangen über einen Fußweg hoch in den Bertha-von-Suttner-Weg. Ein- und Mehrfamilienhäuser mit gepflegten Gärten säumen die Straße. Dieses letzte konventionelle Tübinger Neubaugebiet entstand Ende der 1980er-Jahre.

Nach wenigen Schritten kommen wir an eine Kreuzung mit einer Wendeplatte an der Friedhofstraße. Wir gehen hier kurz nach links und nach einer Bank rechts durch einen eingegrünten Fußweg bis zur Straße Stäudach, wo wir uns links halten. Noch vor der Kurve biegen wir nach rechts in einen weiteren Weg, der zur Elly-Heuss-Knapp-Straße führt. Dort geht es erst rechts, im Stäudach wieder links und nach dem Ristorante Bella Vista biegen wir in die Gertrud-Bäumer-Straße ein. Die Straße macht vor einem interessant gestalteten Einfamilienhaus mit freistehenden Außengiebeln einen Linksschwenk und führt bis zum Waldrand. Wir halten uns rechts und zwischen Kirchgraben und Pferdekoppeln geht es mit schönen Ausblicken bergauf. Wir erreichen die Pfrondorfer Straße und queren sie. Wir passieren eine Brunnenanlage und halten uns im Hof Eichhalde links. Von diesem Höhenweg aus bietet sich an klaren Tagen eine grandiose Sicht auf Tübingen und den Albtrauf. Nach kurzer Zeit erreichen wir den Berghof, halten uns auf dem Fahrweg kurz links und folgen oberhalb der neueren Institutsgebäude dem Schild ‚Zum Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung‚ zur ehemaligen ‚Villa Zundel‘.

Wir gehen an der Villa mit dem links davon angebauten Zundelschen Atelierhaus vorbei und wandern durch den kleinen Park in die Straße ‚Ob dem Himmelreich‘ hinunter – mit herrliche Ausblicken. Wir folgen nun dem vor der Holzscheune abgehenden Staffeln hinunter nach Lustnau. Nach Querung der Pfrondorfer Straße spazieren wir über den talwärts führenden Teil der Eichhaldenstraße weiter und kommen über Treppen in die Steinbößstraße, in der wir uns rechts halten. An der nächsten Kreuzung folgen wir der Straße ‚Am Unteren Herrlesberg‘. Beim Friedhof kommen wir über den Weg ‚In der Weißheit‘ wieder hinunter in die Steinbößstraße.

Wir halten uns links, gelangen über die rechts abzweigende Daimlerstraße ins alte Dorfzentrum und biegen am Haus 31 nach links in den Lustnauer Kirchplatz ein. Rechts von der Kirche St. Martin sehen wir die alte Schule von 1789, hinter dem früher die kleine Burg der Herren von Lustnau stand. Auf der Südseite der Kirche führen uns Treppen hinunter zur Dorfstraße mit einem weiteren Dorfbrunnen. Wir steigen nun links vom Brunnen den Deichelweg hinunter und kommen in die Nürtinger Straße. Auf der anderen Seite der Ammer folgen wir der Welzenwiler Straße nach links und kommen zum Ausgangspunkt zurück. Arndt Spieth

Info: Alte Weberei

Das Quartier entstand 2012 bis 2015 auf dem Gelände der 2002 aufgegebenen Frottierwarenfabrik Egeria. Ein wichtiges Planungselement des Viertels sind Wohnhöfe mit freien Sichtachsen zu den Ufern von Ammer und Neckar. Für die Wärmeversorgung wurde ein klimafreundliches Nahwärmekonzept entwickelt, bei der die Klärgase der am anderen Neckarufer liegenden Kläranlage genutzt werden.

Info: Berghof

Das Berghof-Gelände gehörte ursprünglich der Stuttgarter Industriellenfamilie Bosch. Der Vater Robert hatte es für seine beiden Töchter Paula und Margarete gekauft, nachdem sie sich während des Studiums in dieses kleine Aussichtsparadies verliebt hatten. Interessant wird die Geschichte vor allem durch Friedrich Zundel (1875-1948), einem politisch engagierten Künstler, der zuerst in Stuttgart mit der Frauenrechtlerin Clara Zetkin verheiratet war. Zetkin kannte die sozial eingestellten Boschs als Nachbarn in der Stuttgarter Rotebühlstraße und war mit ihnen befreundet. Robert Boschs Ehefrau Anna war von Zundels Bildern begeistert und beauftragte ihn mit Portraits ihrer Töchter. Die Geschichte nahm ihren Lauf. 1921 entwarf Friedrich Zundel auf dem Berghof zuerst die heutige ‚Villa Zundel‘ mit Ateliergebäude und etwas später die benachbarte ‚Villa Sonnhalde‘ für Anna Bosch. Schließlich zerbrach seine Ehe mit Clara Zetkin und Friedrich heiratete Paula Bosch. Sie zogen auf den Berghof, wo Friedrich neben seiner künstlerischen Arbeit auch als Landwirt tätig war. Die Familie Zundel-Bosch erwies sich durch zahlreiche wohltätige Stiftungen für Lustnau und Tübingen segensreich.

Länge: rund 6 Kilometer

Höhenunterschied: 120 Meter

Gehzeit: 1,5 Stunden

ÖPNV: Linie 22, Haltestelle Nürtinger Straße

Einkehrmöglichkeiten:

Viertel Vor (Alte Weberei), Waldhorn (Nürtinger Straße), Bella Vista (Herrlesberg)

Das Wohnprojekt „Licht + Luft“ in der Alten Weberei.

Das Wohnprojekt „Licht + Luft“ in der Alten Weberei.

Die Villa Sonnhalde wurde für Anna Bosch gebaut.

Die Villa Sonnhalde wurde für Anna Bosch gebaut.