Eine Zweiklassen-Gesellschaft

Im Jugendfußball dürfen die einen trainieren, die anderen gucken in die Röhre

Die Jugendkicker beim VfB Stuttgart oder den Stuttgarter Kickers spulen ruhig ihr Trainingspensum ab. Zigtausende anderer Vereinskicker im Jugendbereich dürfen nicht einmal ein paar Bälle hin und her schlagen.

10.02.2021

Das B-Junioren Aufstiegsspiel TSG Tübingen - Laupheim, als man noch kicken durfte. Bild: Ulmer

Das B-Junioren Aufstiegsspiel TSG Tübingen - Laupheim, als man noch kicken durfte. Bild: Ulmer

Die aktiven Fußballer pausieren seit Ende Oktober. Auch die Jugendlichen in Baden-Württemberg hatten am 24./25. Oktober 2020 ihren letzten Spieltag. Danach war Schluss. Es wurde weder wettbewerbsmäßig gekickt noch konnten die Nachwuchsspieler in ihren Vereinen weiterhin trainieren. Das heißt also, dass seit dreieinhalb Monaten gar nichts geht fußballerisch. Gehen tut nur der Lockdown, der mit aller Härte zugeschlagen hat.

Hatten viele Trainer zu Beginn noch versucht, über diverse Trainingspläne ihre Jungs und Mädchen auf Trab zu halten, gaben sie auch das bald auf. Das Problem: Wozu das alles? Die Aussichten auf Rückkehr zu Spielbetrieb und Training liegen derzeit bei Null. „Wir können unsere Teams nicht mehr motivieren“, heißt es aus Trainerkreisen, „sie dürfen sich ja noch nicht mal einen Ball auf einem freien Platz zuspielen, wenn es mehr als zwei sind – das macht keinen Spaß.“ Auch der Verbandsjugendleiter des Württembergischen Fußballverbandes (WFV), Michael Supper, weiß nicht, wie es weitergehen soll. „Wir müssen darauf warten, was die Politik entscheidet“, sagte er auf Nachfrage.

Er erinnerte daran, dass auch im Aktivenbereich große Unsicherheit herrscht. „Da kommen dann auch Themen auf den Tisch wie Auf- und Abstiegsrunden spielen, um die Zahl der restlichen Spiele möglichst gering zu halten“, meinte Supper. Diesen Weg hatte auch schon Matthias Schöck angedacht, der Präsident des WFV. Es gibt dazu weitere Gedankenspiele bis hin zum Abbruch der Runde und Neuaufnahme zur neuen Saison 2021/22.

„Aber entschieden ist da noch nichts, weder im Aktiven- noch im Jugendbereich“, berichtet Supper. Die Vereine bräuchten, egal welche Entscheidung falle, auf jeden Fall „eine gewisse Vorlaufzeit, um sich darauf einzustellen.“ Es könne ja auch sein, dass man nur eine Vorrunde zu Ende spiele.

Supper ist sich darüber klar, dass diese Monate ohne Sport für viele Jugendliche ein Anlass ist, ganz mit dem Fußball aufzuhören. Er kennt sich aus im Jugendfußball: Beispielsweise war er 13 Jahre lang Jugendleiter bei der TSG Balingen. Auch in Hechingen-Stein ist er seit fünf Jahren Jugendleiter. Viele Trainer bemerken, dass sich die Jungs und Mädchen durch die fatalen Coronaregeln eher ein Leben vor der Spielkonsole anstatt auf dem Fußballplatz vorstellen können.

Was vielen der jungen Kicker/innen allerdings sauer aufstößt: Jugendspieler der Stuttgarter Kickers oder des VfB Stuttgart trainieren regelmäßig in ihren U16 bis U19-Mannschaften. Und das posten sie auch eifrig auf ihren Instagram- oder Facebook-Konten. Die anderen 16- oder 17-Jährigen dagegen gucken in die Röhre. „Zweiklassengesellschaft“, nennen das die anderen Jugendkicker.

„Ich weiß, dass die trainieren“, so Supper, „und dass das ein komisches Licht auf die Sache wirft.“ Aber, so der Jugendleiter, das sei vom DFB so gewünscht. Der will, dass die Jugendteams in den Leistungszentren der Großvereine den Profis angeglichen werden – und damit dürfen sie kicken. So kann auch kaum jemand verstehen, dass die Jugendspieler eines Oberligisten wie die Stuttgarter Kickers trainieren dürfen, die eines Regionalligisten wie Balingen hingegen nicht.

Denn, so die Trainer der kleineren Vereine, auch die U17-Junioren bei den großen Vereinen sind keine Profis – sie werden aber als solche behandelt. „Eine Sauerei“, so ein ehemaliger Verbandsligatrainer einer A-Jugend, der nicht genannt werden will. Sie beschäftigten sich beim WFV regelmäßig intensiv mit dem Thema, wie es weitergehen soll, stellt Supper klar.

Man merkt im Gespräch, dass es ihm ein Anliegen ist, in einen wie auch immer ausgerichteten Spielbetrieb zurück zu finden. „Wir besprechen uns fast täglich“, sagt er, „und haben eigens ein Gremium gebildet, das sich nur mit dem Fortgang der Saison beziehungsweise mit der weiteren Ausrichtung nach dem langen Lockdown beschäftigt.“

Gerade weil sie erreichen wollten, dass man die Jugendlichen in den Fußball zurückholt. Und wenn es wieder losgeht, wollen die Vertreter des WFV sofort auf die Vereine zugehen. „Sie sollen unbedingt wissen, dass wir uns kümmern, dass wir da sind und dass sie in uns einen Ansprechpartner finden.“

Dem WFV, das ist klar, sind die Hände gebunden, solange die Politik kein Machtwort spricht. Zunächst allerdings, und das ist auch Supper klar, richten sich alle Augen nur auf ein Thema: Wann geht es weiter mit dem Fußball – und in welcher Form? Werner Bauknecht