Die Flaumkugel aus dem Ei

Im Naturkundemuseum Reutlingen kann man Küken beim Schlüpfen beobachten

17.04.2019

Wann schlüpfen die Küken wohl? Gespannt beobachten Schülerinnen und Schüler die Eier in der Brutmaschine im NaturkundemuseumBilder: Gabriele Böhm

Wann schlüpfen die Küken wohl? Gespannt beobachten Schülerinnen und Schüler die Eier in der Brutmaschine im NaturkundemuseumBilder: Gabriele Böhm

Nein, wenn man Eier aus dem Supermarkt in den heimischen Backofen legt, schlüpfen daraus keine Küken. Denn dazu braucht man immer noch einen Hahn, der in Legebatterien oder Eierbetrieben nicht gehalten wird.

Erkenntnisse wie diese können Kinder und auch Erwachsene zurzeit im Naturkundemuseum Reutlingen gewinnen. Der beliebte jährliche Dauerbrenner „Wir brüten was aus – Osterküken“, bei dem im Brutkasten echte Hühnerbabys das Licht der Welt erblicken, zieht auch in diesem Jahr wieder viele Besucherinnen und Besucher an. Lieferant für die Eier in weiß, braun und grün ist der Hof Schwille in Pfullingen.

„Ich kenn‘ das alles, mein Opa hat auch Hühner mit Küken“, sagte der siebenjährige Jannik, der mit seiner Schulklasse gekommen war. Damit ist er eines der wenigen Kinder, die heute noch wissen, wie aus dem Ei ein Huhn wird. „Auch ich habe hier zum ersten Mal ein Küken schlüpfen sehen“, bekannte Gabriele Schobel, die als Museumsaufsicht darüber wacht, dass den Tierchen keine Feder gekrümmt wird.

Dagegen ist Biologin Dr. Katja Bader, Referentin im Naturkundemuseum, mit der Hühnerhaltung aufgewachsen. „Manchmal fragen die Kinder, ob unsere Küken überhaupt echt sind“, meint sie. „Es ist einfach wichtig, dass vor allem die Stadtkinder wieder Kontakt zu diesen natürlichen Dingen bekommen.“ Häufig erlebe sie, dass die Großeltern ihren Enkeln alles erklärten.

Sie erzählen dann auch, wie niedlich die Küken normalerweise unter ihrer Hennenmama hervorgucken. Im Museum auch noch Hühner zu halten, würde dann aber doch die Möglichkeiten übersteigen.

„Die Henne wärmt die Eier 21 Tage bei etwa 38 Grad Celsius“, so Bader. „Damit sie gleichmäßig bebrütet werden, wendet sie die Eier. Und zum Fressen steht sie auf, weil auch die Abkühlung notwendig ist.“ Alle diese Vorgänge, die die Hühnermütter intus haben, simuliert eine Brutmaschine, die auch die richtige Luftfeuchtigkeit einhält. Mit Hilfe der Technik ist es auch möglich, die Küken schubweise schlüpfen zu lassen. Sie erblicken dann von Donnerstag bis Sonntag das Licht der Welt, wenn die meisten Besucher Zeit haben. „Garantieren können wir das aber nicht“, sagte die Expertin. Der genaue Zeitpunkt bliebe immer noch der Natur vorbehalten.

Seit Jahren ist die Aktion so erfolgreich, dass Gruppen sich auf jeden Fall rechtzeitig anmelden müssen, denn aus Tierschutzgründen wird nur eine begrenzte Anzahl von Besuchern gleichzeitig in den Raum mit den lebenden Küken gelassen. Dort heißt es: Leise sein und nichts anfassen, um die in ihren beiden Kisten umherlaufenden, munter piepsenden Küken nicht zu stören. Während die erste Kiste, aufgebaut wie eine Tischvitrine, den eine Woche alten Küken vorbehalten ist, dient die zweite den älteren, die wieder auf den Hof Schwille zurückgebracht und dort weiter aufgezogen werden. Die älteren „Bibberle“, „Kippchen“ oder „Wuserl“ zeigen auch schon, wie die Entwicklung weiterlaufen wird: Erst entstehen Federn an den Flügelchen, dann am restlichen Körper.

Dabei sehen die Kinder auch, dass Küken nicht immer nur gelb sind. Viele sind schwarz-gelb gescheckt, grau oder, wie die kleinen Wachteln, auch gesprenkelt. Eine Tarnung, die die Hühnerkinder in der freien Natur schützt. „Schon wenige Minuten nach dem Schlupf können Küken laufen, es sind Nestflüchter“, erklärt Museumsmitarbeiterin Gabriele Schobel. Auch das Weglaufenkönnen ist ein Schutz vor Feinden und von Natur aus in den Tieren angelegt. Urahne des Haushuhns ist das Bankiva-Huhns, das auch – allerdings ausgestopft – in der Ausstellung zu sehen ist.

In den ersten Lebenstagen zehren die Küken noch vom Eidotter und brauchen deswegen keine zusätzliche Nahrung. Danach wartet eine Getreidemischung auf die Kleinen. Da Hennen ihre Küken nicht füttern, ist im Museum das Fressen aus kleinen Trögen ganz normal.

In der Brutmaschine wackelt das eine oder andere Ei und ein anderes hat schon ein kleines Loch. Das Küken hat dafür von der Natur einen Eizahn mitbekommen, der auf dem Schnabel sitzt und später abfällt. Mit ihm pickt das Tierchen von innen ein Loch in die Schale, das immer weiter vergrößert wird. Dann stemmt sich das Küken mit den Füßen gegen die Schale, bis die aufspringt. So ein Schlupf ist sehr anstrengend und kann, mit Erholungspausen, bis zu 24 Stunden dauern. In den ersten Minuten ist das Küken allerdings alles andere aus gelbflauschig, sondern pitschnass, rosafarben und strubbelig. Die Federn sind von einer dünnen Keratinschicht umgeben. Doch kurze Zeit später wird aus dem „Alien“ eine gelbe Flaumkugel, die beim besten Willen nicht mehr in ein Ei passen würde. Gabriele Böhm

Naturkundemuseum Reutlingen

Weibermarkt 4

Der Eintritt ist frei.

Öffnungszeiten:

Dienstag bis Samstag 11-17 Uhr, Donnerstag 11-19 Uhr, Sonn- und Feiertage 11-18 Uhr

Karfreitag geschlossen.

Die Ausstellung ist noch bis zum 28. April zu sehen.

Damit die Küken keinen Schaden nehmen, ist die Personenanzahl vor den Laufarenen beschränkt. Gruppen werden gebeten, ihren Besuch anzumelden unter Telefon 0 71 21 / 3 03 20 22.

Eines der Eier im Brutkasten ist bereits angepickt.

Eines der Eier im Brutkasten ist bereits angepickt.

Auf Großfotos ist der Schlupf in allen Stadien zu sehen.

Auf Großfotos ist der Schlupf in allen Stadien zu sehen.

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Erstellt:
17.04.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 28sec
zuletzt aktualisiert: 17.04.2019, 01:00 Uhr

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