Werkzeug zum Ausleihen

In Tübingen gibt es jetzt eine „Bibliothek der nachhaltigen Dinge“

Seit einigen Monaten gibt es in der Tübinger Stadtbücherei eine „Bibliothek der nachhaltigen Dinge“ – ein Schrank im Eingangsbereich der Hauptstelle, aus dem man sich kostenlos Werkzeuge und Geräte zum Reparieren ausleihen kann.

24.05.2023

So sieht das neueste Angebot der Tübinger Stadtbücherei aus: ein gläserner Schrank, aus dem man sich nützliche Geräte kostenlos ausleihen kann. Jasmin Koch und Monika Fridrich (rechts) sind froh über ihre „Bibliothek der nachhaltigen Dinge“. Bild: Angelika Brieschke

So sieht das neueste Angebot der Tübinger Stadtbücherei aus: ein gläserner Schrank, aus dem man sich nützliche Geräte kostenlos ausleihen kann. Jasmin Koch und Monika Fridrich (rechts) sind froh über ihre „Bibliothek der nachhaltigen Dinge“. Bild: Angelika Brieschke

Eine Heißklebepistole, ein Akku-Bohrschrauber, eine Kartuschenpistole, eine Nähmaschine oder eine Revolver-Lochzange – das und noch viele andere Gegenstände zum Reparieren von Dingen im Haushaltsformat liegen in der Tübinger „Bibliothek der nachhaltigen Dinge“ zum Ausleihen bereit. Das erscheint merkwürdig, schließlich denkt man bei „Bibliothek“ vor allem an Medien: Bücher, CDs, Spiele, DVDs und ähnliches.

Der TAGBLATT ANZEIGER sprach über dieses neueste Angebot der Stadtbücherei mit Monika Fridrich (Bibliothekarin) und Jasmin Koch (Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste).

Warum hat die Stadtbücherei Tübingen eine „Bibliothek der Dinge“ eingerichtet?

Monika Fridrich: Eine „Bibliothek der Dinge“ gibt es inzwischen in vielen Büchereien. Man kann da vom Tennisschläger bis zum Waffeleisen alles mögliche ausleihen. Wir haben uns mit „Nachhaltigkeit“ ein Thema gesetzt. Unter diesem Aspekt haben wir vor allem Werkzeuge und Geräte angeschafft, mit denen man was reparieren, renovieren oder selber herstellen kann. Oft braucht man ein Werkzeug ja nur kurz und wenn man Dinge ausleiht, muss man sie nicht kaufen – das ist nachhaltig.

Die Stadtbücherei setzt ihren Fokus auf Nachhaltigkeit und Ökologie. Drei Schwerpunkte umfasst das Konzept „Grüne Bibliothek“: Sie bietet für alle Zugang zu Wissen und Information, ist Ort der Integration, der Inklusion und Diversität und setzt damit Ziele der UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung um. Als Akteur im Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung vermittelt sie Kompetenz und Bewusstsein für ökologische und globale Themen. Dazu gestaltet sie ihre eigene Arbeitsweise so nachhaltig wie möglich.

Was wird denn viel ausgeliehen, und was nicht?

Jasmin Koch: Sehr beliebt sind die Energiemessgeräte, der Akkuschrauber, der Bohrschrauber, die Nähmaschine und der Klassiker: der Werkzeugkoffer. Wenig ausgeliehen wurden bisher die Kartuschenpistole und der LED-Baustrahler.

Kartuschenpistole, Energiemessgerät?

Was macht man damit?

Koch: Mit der Kartuschenpistole kann man zum Beispiel Silikonfugen machen. Die Energiemessgeräte haben wir von den Stadtwerken Tübingen, damit kann der Stromverbrauch daheim gemessen werden.

Was ist, wenn etwas kaputt geht? Wer bezahlt dann die Reparatur?

Koch: Das kommt darauf an. Wenn das Gerät durch normale Abnutzung kaputt gegangen ist, dann ersetzen wir das. Bisher haben wir aber tatsächlich noch nichts kaputt zurückbekommen. Wir schaffen aber auch nur hochwertige Geräte an, damit‘s länger hält – auch das ist nachhaltig.

Außerdem wird bei der Werkzeug-Rückgabe genau geschaut: Ist alles drin? Ist alles noch in Ordnung? Deswegen geht auch die Rückgabe nicht direkt über den Automaten, sondern man muss die Geräte in der Hauptstelle abgeben.

Fridrich: Zu empfindliche Sachen haben wir gar nicht. Und wichtig für die Auswahl ist auch, dass die Geräte tragbar sein müssen und in die Schrankfächer passen müssen. Einen Apfelpflücker zum Beispiel können wir nicht anbieten. Aber man kann über uns Kontakt zu Gartenbauvereinen bekommen und da welche ausleihen.

Unser Schrank ist das Limit – mehr geht nicht. Wir haben ja auch ein Platzproblem in der Bibliothek.

Dieses neue, zusätzliche Angebot kostet ja auch Geld. Bekommt die Bücherei dafür mehr Geld von der Stadt?

Fridrich: Nein. Aber der Schrank wurde nicht über den üblichen Bibliotheksetat angeschafft, sondern über eine Förderung. Wir haben uns dafür beim Projekt „Neustart Kultur – Wissenswandel“ beworben, ein Förderprogramm vom Deutschen Bibliotheksverband.

Das war mitten in der Corona-Pandemie und bei unserem Antrag ging es vor allem auch um ‚Ausleihen ohne Öffnungszeiten‘. Zu dieser Zeit war die Frage wichtig, wie Bibliotheken überhaupt geöffnet sein können und wie kontaktloses Ausleihen funktionieren könnte.

Ein wesentlicher Punkt bei diesem Schrank ist, dass man aus ihm rund um die Uhr Dinge ausleihen kann und das, ohne mit Bibliotheksmitarbeiterinnen oder -mitarbeitern Kontakt zu haben.

Für die Einrichtung des Schrankes haben wir über 40 000 Euro Förderung bekommen. Das hat gerade mal so für den Schrank und die erstmalige Ausstattung und die nötige EDV gereicht.

Koch: Diese Art von Schrank ist komplett neu. Vor allem die Einrichtung der Technik war lang und zäh. Aber jetzt endlich funktioniert es: Seit kurzem kann jede und jeder mit einem gültigen Bücherei-Ausweis sich etwas aus dem Schrank ausleihen, und zwar rund um die Uhr, 24 Stunden lang.

Fridrich: Und über den Schrank kann man auch ein vorbestelltes Buch außerhalb der Öffnungszeiten rund um die Uhr abholen.

Wie sieht die weitere Finanzierung aus? Es werden ja irgendwann Geräte repariert oder neu gekauft werden müssen.

Fridrich: Das werden wir aus unserem üblichen Etat finanzieren müssen. Sachbücher und audiovisuelle Medien werden immer weniger ausgeliehen. Das sehen wir an unserer jährlichen Ausleih-Statistik. Sachinformationen gibt es im Internet und in Datenbanken, Streamingdienste ersetzen CDs.

Außerdem ändern sich Themen. Jetzt zum Beispiel interessiert sich niemand mehr dafür, wie man Gesichtsmasken näht.

Wir werden langfristig vermutlich im Sachbestand deutlich weniger Bücher bestellen und können das Geld dann für digitale Angebote sowie für die „Bibliothek der nachhaltigen Dinge“ verwenden.

Fragen von Angelika Brieschke

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Erstellt:
24.05.2023, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 27sec
zuletzt aktualisiert: 24.05.2023, 01:00 Uhr

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