Tabula rasa unterm Sofa

In Waldenbuch ist eine Ausstellung über Redewendungen zu sehen

„Mein Name ist Hase! – Redewendungen auf der Spur“ – so heißt die neue Sonderausstellung im Museum für Alltagskultur im Waldenbucher Schloss.

18.04.2018

Auf nicht unter Hempels Sofa: Museumsleiter Markus Speidel (links) und Rolf-Bernhard Essig.

Auf nicht unter Hempels Sofa: Museumsleiter Markus Speidel (links) und Rolf-Bernhard Essig.

Damit hat das Museum der Alltagskultur im Schloss Waldenbuch den Vogel abgeschossen. Sicher wird vielen Gästen ein Licht aufgehen oder es wird ihnen zumindest ein wenig auf die Sprünge geholfen, wenn sie die neue „Kunterbunte Mitmachausstellung für Groß und Klein“ aufsuchen. Auf den Plakaten prangt ein roter Fuchs, der von sich behauptet „Mein Name ist Hase!“ – „Und weiß von nichts“ müsste die Redewendung weitergehen. Der schlaue Fuchs als Logo der Ausstellung weiß alles ganz genau, aber ist nicht so dumm, alles weiter zu erzählen.

Ganz im Gegensatz zum Ausstellungsmacher Dr. Rolf-Bernhard Essig. Damit man nicht weiter im Dunkeln tappt, hat sich der Sprachforscher und Autor literarisch kreuz und quer durch die Jahrhunderte und verschiedene Länder bewegt, Sprichwörter gesammelt und herausbekommen, wann und wo sie entstanden und worin ihr Ursprung liegt. Die Geschichte mit dem Hasen beispielsweise geht zurück auf den Heidelberger Studenten Viktor von Hase, der sich mit dem bekannten Spruch 1854 vor Gericht herausredete. Obwohl es damals weder Telefon noch Internet gab, verbreitete sich die Redensart schnell über ganz Deutschland.

„Es ist faszinierend, wie viele Aussprüche es gibt, von denen man gar nicht weiß, woher sie kommen“, sagt Essig begeistert. „Einen Zahn zulegen – das stammt aus dem Zeitalter der Industrialisierung im 19. Jahrhundert“, erklärt er. „Hatte ein Zahnrad einen Zahn mehr, konnte es gleich mehr leisten.“

Erasmus von Rotterdam, der sich vor 500 Jahren als erster der Sprichwortforschung widmete, konnte den Satz daher nicht kennen. Für ihn zugänglicher war die Bibel, in der viele Redensarten stehen, die teilweise bis heute ganz selbstverständlich gebraucht werden. Da heißt es zum Beispiel „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in den Himmel kommt.“ Oder: „die Spreu vom Weizen trennen.“ Die berühmte „Tabula rasa“, das „klar Schiff machen“ sozusagen, hat ihren Ursprung in den Wachstäfelchen römischer Schreiber. „Tabula rasa“ meint nichts anderes, als mit einem kleinen Spatel die Buchstaben der Wachstafel glattstreichen, damit sie wieder neu beschrieben werden kann.

Einige Ausdrücke kommen von der Bühne, vom Theater. „Eine Rampensau sein“ für „sich in den Vordergrund drängen“ beispielsweise. Oder die geheimen Dinge „hinter den Kulissen“, die nur Insidern bekannt sind. Letztlich gibt es auch in Filmen unsterbliche Sätze, die wieder und wieder aus der Versenkung geholt und in unterschiedlichsten Zusammenhängen aufs Tapet gebracht werden: „Ich schau Dir in die Augen, Kleines“ oder „Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft“ aus „Casablanca“ gehören dazu.

Zusammen mit Franziska Isensee hat Essig eine Ausstellung konzipiert, die auf kleinem Raum viel Interessantes bietet. Schirmherr ist der Kinderbuchautor Paul Maar, der selbst bei einer Lesung im März zu hören war. Insgesamt 144 Redewendungen werden in der Ausstellung erklärt, die man laut Museumsleiter Markus Speidel theoretisch in nur einer Stunde schaffen kann. Die meisten werden aber sicher länger bleiben, weil es einfach zu vergnüglich ist, auf unterhaltsame Weise etwas zu lernen, sich Filmszenen anzuschauen, zu raten, mit dem „Sprichwortgenerator“ selbst Redewendungen zu entwerfen oder auf „Hempels Sofa“ zum Schmökern Platz zu nehmen.

Das erste Mal wurde die Ausstellung in Nürnberg gezeigt. Nach Berlin und Frankfurt ist Waldenbuch nun die vierte, aber noch nicht die letzte Station. Spannend ist die Ausstellung für alle Generationen und sehr geeignet für das gemeinsame Staunen, Raten und Entdecken bei einem Familienausflug.

Führungen, ein Familientag am 1. Mai, der „Große Sprichworttag“ am 8. Juni, das Kinderferienprogramm, ein spezielles Angebot für Schulen und Kindergärten und schließlich die Finissage am 8. und 9. September, bei der noch einmal abgetaucht wird in die mittelalterlichen Ursprünge der Redewendungen, bieten etwas für jeden. Allein am Familientag rechnet das Museum mit rund 2000 Besuchern.

Durch das Museum zieht sich der „Rote Faden“, ein reales Seil, das zu weiteren Redewendungen im Schloss. Wer anschließend durch das Städtchen geht, kann entdecken, dass 22 Einzelhändler auf den Zug aufgesprungen sind und in den Schaufenstern ebenfalls Sprichwörter angebracht haben. Zweifelsohne hat sich das Museum damit den Erfolg auf die Fahnen geschrieben. Gabriele Böhm

Die Ausstellung im Museum für Alltagskultur – Schloss Waldenbuch, Kirchgasse 3, ist bis zum 9. September dienstags bis samstags von 10 bis 17 Uhr und an Sonn- und Feiertagen von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.

www.museum-der-alltagskultur.de

Um zu zeigen, dass viele Sprichwörter aus dem Theaterbereich kommen, wurde ein kleines Papptheater aufgebaut. Bilder: Böhm

Um zu zeigen, dass viele Sprichwörter aus dem Theaterbereich kommen, wurde ein kleines Papptheater aufgebaut. Bilder: Böhm

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Erstellt:
18.04.2018, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 18.04.2018, 01:00 Uhr

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