Korrespondenz mit der Farbe

Ingrid Krüger malt großformatige Aquarelle

Im Herbst präsentiert Ingrid Krüger im Albgut Münsingen rund 25 Bilder, die sie in den vergangenen zehn Jahren gemalt hat. Wir sprachen mit der Tübinger Künstlerin über die Möglichkeiten der Aquarelltechnik und den Blick des Publikums auf abstrakte Strukturen.

22.09.2021

Neben kleinen und quadratischen Bildern malt Ingrid Krüger auch große Aquarelle im Quer- und Hochformat. Bild: Stefan Zibulla

Neben kleinen und quadratischen Bildern malt Ingrid Krüger auch große Aquarelle im Quer- und Hochformat. Bild: Stefan Zibulla

TAGBLATT ANZEIGER: Warum haben Sie sich auf die Aquarellmalerei spezialisiert?

Ingrid Krüger: Die Aquarellmalerei war früher sehr im Trend, beispielsweise im Expressionismus. Gegenwärtig spielt sie in der Kunst keine große Rolle mehr. Ich will zeigen, dass Aquarell eine tolle Technik ist, mit der man auch großformatige Bilder malen kann. Manche meiner Aquarelle sind eineinhalb auf einen Meter groß.

Was ist das Besondere an Ihrer Maltechnik?

Ich verteile die Farbe mit Pappstreifen unterschiedlicher Breite auf starkem Papier. Dabei versuche ich, einen Rhythmus reinzubringen. In einem dynamischen Prozess bilden sich so Schwünge, die oft organisch wirken. Ich schaffe aber auch gerne Bilder, auf denen sich verschiedene Farben in geometrischen Formen begegnen. Ich habe auch schon Glasplatten auf die Farbe gelegt. Dabei haben sich Strukturen gebildet, die ruinösen Säulen mit Kapitellen gleichen. Die Farbe arbeitet mit dem Papier. So bilden sich Formen, die ich kreativ weiterverarbeite. Beispielsweise nutze ich Linien, die bei diesem Prozess entstehen und korrespondiere so mit der Farbe.

Wissen Sie, wie das Bild aussehen soll, bevor Sie mit dem Malen beginnen?

Meine Vorstellung, wie das Bild aussehen soll, entwickelt sich meist erst während des Arbeitens. Ich male jeden Tag, für ein Bild brauche ich mehrere Tage. Dabei achte ich darauf, dass meine Bilder eine gute Fernwirkung haben, in der Nähe soll der Betrachter dann die Diffizilitäten erkennen. Diese entstehen beispielsweise durch die Verdünnung der Farbe. Und durch das Wasser bilden sich mitunter reizvolle Wellungen im Papier.

Welchen Einfluss haben Ihre Emotionen auf die Gestaltung der Bilder?

Ich reagiere mit meinen Emotionen auf Zufälle. Dabei ist die Farbe für mich der Ausgangspunkt. Manchmal habe ich beispielsweise Lust auf Rot. Ich liebe aber auch das bläuliche Grau. Manche meiner Bilder sind ausschließlich in diesem Farbton. Auf anderen sind mehrere Farben miteinander kombiniert.

Wie reagiert das Publikum auf Ihre abstrakten Strukturen?

Die Menschen suchen das Gegenständliche. Wenn sie in meinen Bildern eine Kittelschürze entdecken, finde ich das nicht so witzig. Aber es ist in Ordnung, wenn der Betrachter beispielsweise Steine, Täler oder Menschen assoziiert. Manche meiner älteren Bilder erinnern das Publikum vor allem an Landschaften. Ich erkenne darin die Berge meiner hessischen Heimat. Die Menschen in der Region Tübingen entdecken in diesen Gemälden eher die Schwäbische Alb. Ich bin von der Landschaftsmalerei ausgegangen. Dann wollte ich mich davon befreien und wurde immer lockerer.

Trifft Sie der Vorwurf, Ihre Kunst sei unverständlich?

Es ist in Ordnung, wenn nicht alle etwas mit meiner Kunst anfangen können. Um abstrakt sehen zu können, braucht man auch einen kunsthistorischen Hintergrund. Gemälde werden oft unter der Fragestellung betrachtet, ob sie die eigene Wohnung schmücken können. Das ist aber nicht das Leitmotiv meiner Kunst. Ich möchte die Möglichkeiten der Aquarellmalerei erforschen, unabhängig davon, ob man sie in seinem Umfeld haben möchte. Wobei ich mir durchaus vorstellen kann, meine Bilder in großen Räumlichkeiten wie Arztpraxen, Büros oder Treppenhäusern zu sehen.

Wie hat sich Corona auf Ihre künstlerische Arbeit ausgewirkt?

Die Pandemie hat mich mit ihrer auferlegten Zurückgezogenheit befruchtet, weil ich konzentrierter arbeiten konnte.

Fragen von Stefan Zibulla

Ingrid Krüger zeigt ihre Aquarelle vom 1. bis 24. Oktober jeweils am Freitag, Samstag und Sonntag von 11 bis 17 Uhr im Albgut Münsingen-Auingen. Die Einführung in ihre Ausstellung beginnt am Sonntag, 10. Oktober, um 15 Uhr.

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Erstellt:
22.09.2021, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 22.09.2021, 01:00 Uhr

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