Logik als Wahrheit

Jakob Schegk forschte über Aristoteles

Über 300 Bildnisse von Tübinger Professoren – und einer Professorin – umfasst die Tübinger Professorengalerie, die der Rhetorikprofessor Erhard Cellius zum 100. Geburtstag der Universität 1578 begonnen hatte. Das älteste Bild stammt von 1572. Es zeigt einen weißhaarigen Herrn mit zurückgekämmten Haar und geteiltem Bart, in pelzverbrämter Schaube und gefältetem Kragen. Der Herr heißt Jacob Degen, nannte sich aber selbst, wie schon sein Vater Bernhard Degen, ein angesehener Schorndorfer Bürger, Schegk.

07.06.2017

Jakob Schegk forschte über Aristoteles

Er war am 7. Juni 1511 zur Welt gekommen und hatte sich 1527 an der Tübinger Universität immatrikuliert, die er Zeit seines Lebens nicht mehr verlassen sollte. Sein Lehrer war Johann Thomas, ein Schüler Johannes Reuchlins. Der junge Jacob Schegk bekam also den kompletten Kanon humanistischer Bildungsinhalte auf den Stundenplan. Das bedeutete, man las und diskutierte griechische und römische Autoren in neuen Übersetzungen, las neue Erklärungen und Kommentare dazu und beschäftigte sich vor allem eingehend mit den Schriften von Aristoteles.

Württemberg war in Aufbruchsstimmung, die Ideen der Reformation sickerten durch die Mauern der Philosophischen Fakultät am Neckarufer, an der junge und innovative Magister unterrichteten. Zu ihnen gehörte auch irgendwann Jacob Schegk.1534 ließ er sich nach beendetem Theologiestudium noch in Konstanz zum Priester weihen – die einzige größere Reise, die er in seinem Leben unternehmen sollte - , aber dann wurde in Württemberg die Reformation eingeführt, Schegk hängte die Theologie an den Nagel und studierte noch ein paar Semester Medizin bei Leonhart Fuchs.

Anschließend wurde er Rektor des Contuberniums, der internatsähnlichen Lern- und Lebensgemeinschaft in dem großen Fachwerkbau am Neckarufer. Für 35 Gulden im Jahr unterrichtete er aristotelische Philosophie, heiratete 1539 Corona Vogler, die Schwester eines Kollegen, mit der er drei Kinder bekommen sollte und wurde im selben Jahr zum Doktor der Medizin promoviert.

1540 wäre er fast gegangen, die Universität Leipzig hatte ihm eine Stelle angeboten. Die Universität Tübingen nahm das zum Anlass, seine Besoldung zu verdoppeln, die 110 Gulden im Jahr waren ein starkes Argument für die württembergische Universität. Also blieb er da. Er war ohnehin so furchtbar kurzsichtig, dass ihm jede neue Umgebung Probleme bereitete.

„Alter Aristoteles, alter Plato . . .“ beginnt die lateinische Inschrift auf dem Gelehrtenporträt, das er im Alter von 60 Jahren anfertigen ließ. Das war sein Forschungsgebiet. Für ihn stellte Aristoteles die höchste Vollendung des menschlichen Geistes dar. Natürlich gefiel es Jacob Schegk auch, lateinische Gedichte zu verfassen oder sich mit den Schriften von Nikolaus Kopernikus zu befassen, die er allerdings nicht für ernsthafte Theorien, sondern für eine mathematische Fiktion und Spielerei hielt. Aber Grundlage und Ziel aller Wissenschaft sollte es sein, die Wahrheit zu erkennen und Wahres und Falsches voneinander unterscheiden zu können. Und nichts eignet sich so gut dazu wie die aristotelische Logik.

Jacob Schegk war ein friedlicher Mensch, der sich nur ungern mit seinen Zeitgenossen stritt. Aber wenn zum Beispiel ein Pariser Professor namens Petrus Ramus behauptete, Aristoteles sei überflüssig und die Kunst der Gedankenbildung lerne man am besten bei den großen Rednern Cicero und Quintilian, konnte Jacob Schegk auf äußerst gebildete Weise äußerst wüst werden. Auch in die Diskussionen über das rechte Verständnis der Allgegenwärtigkeit des Leibes Christi wird er sich einmischen, ein jahrelanger komplizierter Theologenstreit, in dem um das rechte protestantische Verständnis der göttlichen und menschlichen Natur Christi gerungen wurde. Aber Spaß hatte er daran vermutlich nicht.

Im Alter erblindete Jacob Schegk vollständig. Einem Augenarzt, der überzeugt war, sein „Gesicht“ wieder herstellen zu können, soll er geantwortet haben, er wolle das nicht. Er habe vieles in seinem Leben gesehen, was er lieber nicht gesehen hätte und er wollte, er wäre für manches auch taub. Andrea Bachmann

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07.06.2017, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 07.06.2017, 01:00 Uhr

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