Wilhelms Wirtschaftswunder

Jede Menge Mammutbäume für Württemberg

Am 27. September 1781 erblickt Friedrich Wilhelm Carl von Württemberg das Licht der Welt. 35 Jahre, ein paar Skandale und ein paar Liebschaften später wird er König von Württemberg und heißt fortan Wilhelm I.

27.09.2017

Dieser Mammutbaum aus Wilhelms Pflanzprogramm steht im Wald bei Sulz. Archivbild: Ezberci

Dieser Mammutbaum aus Wilhelms Pflanzprogramm steht im Wald bei Sulz. Archivbild: Ezberci

1816 war kein gutes Jahr. In Indonesien explodierte der Vulkan Tambora und seine Aschewolke sorgte für mehr Unbill als nur ein paar Flugzeugverspätungen wie beim Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull vor sieben Jahren. Damals gab es eine globale Klimaverschlechterung und Württemberg traf es besonders hart: Im Juli 1816 schneite es auf der Alb, die Ernte fiel vollständig aus.

König Wilhelm und seine (schöne und kluge) Frau Katharina gehörten nicht zu der Sorte Monarchen, die in dieser Situation den Verzehr von Kuchen anstatt Brot empfehlen. Während Katharina eine Vielzahl sozialer Einrichtungen aus dem Boden stampfte, reformierte Wilhelm die Landwirtschaft. 1817 schaffte er die Leibeigenschaft ab und gründete die „Centralstelle eines landwirtschaftlichen Vereins“. Der feierte ein Jahr später ein großes landwirtschaftliches Schaulaufen mit Volksfest – heute ist das Volksfest auf dem Cannstatter Wasen längst wichtiger als die große Landwirtschaftsausstellung, bei der sich die Württemberger Bauern über neue Zucht- und Anbaumethoden informieren konnten. Aber eine Fruchtsäule und einen Umzug gibt es immer noch. Nur mit Feiern war es allerdings nicht getan: Am 20. November 1818 gründete Wilhelm I. die „Landwirtschaftliche Unterrichts-, Versuchs- und Musteranstalt“ in Hohenheim, die spätere Universität Hohenheim.

Außerdem kaufte Wilhelm I. großzügig Land auf – was dem einen oder anderen Verkäufer erst einmal Geld und damit Zeit verschaffte. Dazu gehörte zum Beispiel das Hofgut Einsiedel bei Tübingen und ein größeres Gebiet auf dem Kahlenstein bei Stuttgart. Dort ließ König Wilhelm eine ansehnliche Parklandschaft anlegen, in der neben einheimischen Gewächsen auch exotische Pflanzen angebaut werden sollten. Dazu bestellte er Mammutbaumsamen aus Amerika. Ein ähnlicher Kommafehler wie der, der Spinat jahrzehntelang den Eisengehalt eines kleineren Stahlwerkes zusprach, sorgte dafür, dass Wilhelm sich bald über 8000 kleine Bäumchen freuen konnte. Das war zu viel für einen englischen Landschaftsgarten, aber Wilhelm war zu sehr Schwabe, um die zarten Pflänzchen wegzuwerfen: Er verschenkte sie kurzerhand an sämtliche Förster Württembergs, die das königliche Präsent nicht verschmähen durften. Der Sequoia-Bestand in Württemberg ist heute noch beträchtlich.

Auf dem Tübinger Schloss steht auch ein solcher Mammutbaum. Das hatte Wilhelm 1816 der Universität übertragen, die schon seit Mitte des 18. Jahrhundert dort Räumlichkeiten nutzte. Weiteren Universitätserweiterungen stand Wilhelm jedoch zögerlich gegenüber. Nachdem sich Robert Mohl, der Rektor der Uni, 1835 an den König gewandt und vorgeschlagen hatte, ein neues Universitätshaus sowie neue naturwissenschaftliche Institute zu bauen, geruhte seine Majestät zunächst zu schweigen. Erst 1838 wünschte Wilhelm mit dem Bittsteller einen Rundgang durch die Tübinger Universität zu unternehmen. Dort musste er dann zugeben, dass er nicht mal seine Pferde in dem heruntergekommenen Gebäude abstellen würde. Ein Jahr später wurden der Tübinger Universität 190 000 Gulden bewilligt: Eine neue Aula mit zwei Nebengebäuden sollte den studentischen „Pferdestall“ bei der Stiftskirche ersetzen.

Da ging es Württemberg auch schon wieder gut. Die zahlreichen Reformprojekte und eine erstaunlich liberale Politik, in der es sogar so etwas wie Pressefreiheit gab, hatten für einen wirtschaftlichen Aufschwung gesorgt. Landwirtschaft, Handel und Handwerk florierten, Neckarschifffahrt und Straßennetz wurden ausgebaut, man träumte sogar von einer Eisenbahn.

1840 wusste Wilhelm I. sogar ganz genau, wie groß das Land war, das er regierte: Am 19. Mai 1818 hatte er eine Landesvermessung angeordnet, deren erster wissenschaftlicher Leiter Professor Johann Bohnenberger von der Universität Tübingen war. Der schaffte dazu ein Hochleitungspräzisionsteleskop an, für das im Wallgarten des Schlosses ein kleines Observatorium gebaut wurde. Das wird übrigens gerade saniert. Nächstes Jahr soll es fertig sein. Pünktlich zum 200. Jahrestag dieser Landvermessung. Andrea Bachmann

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Erstellt:
27.09.2017, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 27.09.2017, 01:00 Uhr

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