Chemie mit System

Julius Lothar Meyer hat die Elemente sortiert

12.04.2017

Der Lothar-Meyer-Bau in der Tübinger Wilhelmstraße erinnert an den Entdecker des Periodensystems der Elemente. Bild: Bachmann

Der Lothar-Meyer-Bau in der Tübinger Wilhelmstraße erinnert an den Entdecker des Periodensystems der Elemente. Bild: Bachmann

Es hängt in jedem Chemiesaal: Das Periodensystem der Elemente, eine Anordnung der chemischen Elemente in tabellarischer Form. Oben links ein „H“ für Wasserstoff, das kleinste und leichteste Element. Es sieht alles sehr ordentlich und sortiert aus. Beruhigend, wenn ein Teil dieser Welt so schön aufgeräumt werden kann.

Den für diese Aufstellung notwendigen Ordnungssinn bewiesen nahezu gleichzeitig der russische Chemiker Dimitri Mendelejew und der Ordinarius für Chemie am Polytechnikum Karlsruhe und spätere Rektor der Universität Tübingen Julius Lothar Meyer. Die beiden hatten sich 1860 auf einem internationalen Chemikertreffen in Karlsruhe kennen gelernt, auf dem Grundbegriffe der Chemie wie Atom und Molekül mit dem Ziel einer größeren Vereinheitlichung diskutiert wurden.

Schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatten verschiedene Wissenschaftler versucht, die vielen chemischen Elemente in ein möglichst plausibles und einfaches Ordnungssystem zu integrieren. Der Schwede Jöns Jacob Berzelius entwickelte 1814 eine chemische Zeichensprache aus Zahlen und Buchstaben, die heute noch gebräuchlich ist. Johann Wolfgang Döbereiner versuchte, die Elemente nach ihren Atommassen zu ordnen. An diese Versuche knüpften Mendelejew und Meyer unabhängig voneinander an. Sie listeten die Elemente nach ihrer Atommasse auf, begannen mit dem leichtesten und endeten mit dem schwersten. Dabei ließen sie für noch nicht entdeckte Elemente Platz, sodass ihr Ordnungssystem nach und nach aufgefüllt werden konnte und bis heute Gültigkeit hat.

Vorlesung als Experiment

Professor Meyer war ein Arztkind aus Varel bei Oldenburg. Er studierte zunächst der Familientradition folgend Medizin in Zürich und Würzburg, ging anschließend nach Heidelberg und lernte dort den Chemiker Robert Wilhelm Bunsen kennen. Dessen Labor war ein internationales Zentrum junger und begabter Wissenschaftler. Meyer schloss Freundschaft mit Adolf von Baeyer, der 1905 den Nobelpreis für seine Arbeiten über anorganische Farbstoffe erhalten sollte.

Julius Lothar Meyer gehörte zu einem fortschrittlichen, gebildeten Bürgertum, das in den Naturwissenschaften den Motor für technischen Fortschritt und damit für Wohlstand und Lebensqualität sah: Aspirin und lichtechte Textilfarben waren schließlich Resultate der organischen Synthesechemie. 1858 schloss Meyer seine zweite Ausbildung an der Universität Breslau mit einer Dissertation über die Einwirkung von Kohlenmonoxid auf Blut ab, habilitierte anschließend und wurde Laborleiter.

Seine Lehrverpflichtungen waren umfangreich und es gab so gut wie keine Unterrichtsmaterialien – Meyer musste Lerninhalte und Lehrmittel selbst zusammenstellen. Dazu gehörten möglichst beeindruckende Experimente während der Vorlesungen ebenso wie Tafelaufschriebe, sodass sich der junge Professor neben seiner fachlichen Kompetenz auch eine Menge didaktisches und methodisches Geschick aneignete und ständig überlegte, wie komplizierte Sachverhalte möglichst anschaulich an den Studenten zu bringen waren.

Elemente in sechs Gruppen

Vier Jahre nach dem so inspirierenden Chemikerkongress in Karlsruhe hatte Meyer mit „Die modernen Theorien der Chemie“ ein Werk herausgegeben, in dem er Widersprüche in den damals herrschenden Lehrmeinungen diskutierte und die chemischen Elemente in sechs Gruppen nach ihren Eigenschaften und Atomgewichten zusammengestellt hatte. 1870 erweiterte er diese mittlerweile zum Standardlehrwerk gewordene Schrift und ordnete in einer umfangreicheren Tabelle 52 Elemente an.

Natürlich stritten Mendelejew und Meyer ein wenig herum, wer von ihnen jetzt der erste war, der diesen „kleinen Atomschwindel“ unter die Leute gebracht hatte, was ihrer kollegialen Freundschaft jedoch keinen Abbruch tat. 1882 wurden dann auch beide für die Aufstellung des Periodensystems mit der Davy-Medaille der Royal Society geehrt.

Familienleben in Tübingen

1867 verließ Meyer Breslau und wurde Professor für anorganische Chemie an der Forstakademie in Neustadt-Eberswalde, 1876 kam er nach Tübingen, wo er bis zu seinem plötzlichen Tod am 11. April 1895 mit seiner Frau Johanna Volkmann und seinen vier Kindern lebte.

Im Herbst 1956 wurde in der Wilhelmstraße 56 ein modernes neues Gebäude bezogen, in dem die Institute für Physikalische Chemie, Angewandte Chemie, Pharmakologie und Toxikologie unterkamen. Zu Ehren des berühmten Chemieprofessors nannte man das Haus Lothar-Meyer-Bau.Andrea Bachmann

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Erstellt:
12.04.2017, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 12.04.2017, 01:00 Uhr

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