Aus der Luft und zu Fuß (31)

Hirrlingen

23.05.2018

Von Andrea Bachmann / Bilder: Erich Sommer

Hirrlingen

Kloster, Kirche, Schloss. Das idyllische Hirrlingen, landschaftlich reizvoll am Rand des rauen Rammert gelegen, war in der frühen Neuzeit ein wahrlich herrschaftlicher Flecken – und vom alten Glanz ist noch erstaunlich viel übrig, liebevoll restauriert und sinnvoll genutzt.

Das Dorf ist so alt wie alle -ingen-Orte in der Region, etwa im 5. Jahrhundert haben Alemannen hier gesiedelt. 1091 taucht der Name zum ersten Mal in einer Urkunde auf, da treten auch die Herren von Hirrlingen in Erscheinung, die im Herzogtum Schwaben besitz und Rechte hatten. Den Ort geprägt haben aber vor allem die Herren von Ow, die ihn im 13. Jahrhundert von den Grafen von Hohenberg als Lehen erhielten.

In der Martinskirche sind sie omnipräsent. Einer von ihnen, Eberhard Ludwig von Ow, ließ sogar sein Herz in der Nordwand der Kirche einmauern, damit ein Stück von ihm in Hirrlingen verblieb, während seine übrigen sterblichen Überreste ihre letzte Ruhestätte in Eichstätt fanden.

An den Bauherren des Schlosses, eines der authentischsten ländlichen Renaissanceschlösser in Baden-Württemberg, erinnert ein Epitaph in der Kirche. „Anno domini 1575 den 2. Tag Juni ist in Christo entschlafen der edel und vest Gerg von Ow zu Hirrlingen, welchen Gott mit all Auferweckten eine fröhliche Auferstehung verleihen wölle“, lautet die optimistische Inschrift.

Er muss ein ausgesprochen kompetenter Bauherr gewesen sein, denn angeblich wurde mit dem Bau des Hirrlinger Schlosses 1557 begonnen und 1558 wurde es fertig gestellt. Vorbild war das Schloss in Bühl. Das dreigeschossige Gebäude hat ein hohes Satteldach und zwei Rundtürme mit Schießscharten im Erdgeschoss, die ihm einen wehrhaften Charakter verleihen, auch wenn die früheren Wassergräben, die um das gesamte Schlossareal führten, bis auf den kleinen Schlossweiher längst beseitigt sind. Dafür sorgen die Nebengebäude auf dem Schlosshof, die ebenfalls weitgehend aus dem 16. Jahrhundert stammen, für genügend herrschaftlichen Renaissanceflair.

Die heutige Hofeinfahrt ist übrigens der ehemalige Gesindeeingang. Der Ortsadel früherer Zeiten betrat seine Gemächer im ersten Stock über eine Brücke von der Nordseite her.

Seit 1821 ist auf dem Schloss die Gemeindeverwaltung untergebracht – was bedeutet, dass seitdem der Bürgermeister von Hirrlingen das Rathaus über den Lieferanteneingang betritt.

Die fast lupenreine Barockkirche St. Martin, die dank der von den Frauen der Familie Hummel gestalteten unglaublich prachtvollen Erntedankteppiche aus den unterschiedlichsten getrockneten Pflanzenteilen jedes Jahr im Oktober ganze Busladungen voller Bewunderer anzieht, ist allerdings von den Nachfolgern derer von Ow, den Grafen von Attems erbaut worden. Es gab aber zwei Vorgängerbauten und schon ab etwa 1000 eine steinerne Pfarrkirche, die zu den ältesten in der Gegend gehörte.

Ungefähr zur selben Zeit wie die Kirche wurde auch das heutige Kloster erbaut. Fromme Frauen gab es in Hirrlingen schon lange, 1358 wurde aus einer Gemeinschaft religiös lebender Frauen ein Dominikanerinnenkloster. Dessen Gebäude waren nach den Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges so baufällig, dass sie 1741 abgerissen wurden, um größer und schöner neu gebaut zu werden. Nur ein alter Brunnen aus Sandstein ist noch heute im Erdgeschoss an der südöstlichen Außenwand zu sehen. Vermutlich stand der ursprünglich im Freien und wurde erst beim Wiederaufbau des Klosters Mitte des 18. Jahrhunderts in das Gebäude integriert.

Ende des 18. Jahrhunderts wurde das Kloster aufgehoben und fand die unterschiedlichsten neuen Besitzer – unter anderen ein dänischer Gesandte -, brannte in den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts zu einem großen Teil ab und ist jetzt zu einer Einrichtung für betreutes Wohnen umgebaut worden. Im Erdgeschoss gibt es ein Klostercafé mit Garten. Andrea Bachmann

Bilder: Sommer

Zum Artikel

Erstellt:
23.05.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 49sec
zuletzt aktualisiert: 23.05.2018, 01:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen