Aus der Luft und zu Fuß (39)

Kusterdingen

25.07.2018

Von Andrea Bachmann / Bilder: Erich Somme

Kusterdingen

Der Verfasser der Oberamtsbeschreibung von 1867 gerät bei seinem Bericht über Kusterdingen regelrecht ins Schwärmen. Besonders angetan hat es ihm die Marienkirche: „Die Kirche zu Kusterdingen ist ein seltenes Beispiel einer fast ganz erhaltenen größeren gothischen Dorfkirche und verdient schon deßhalb, dann aber insbesondere wegen der trefflichen Decken des Schiffes und Chores den aufmerksamen Besuch jedes Alterthumsfreundes.“

Tatsächlich ist die Kusterdinger Marienkirche eine der wertvollsten und schönsten Dorfkirchen in der Region. Sie wurde 1506 gebaut, allerdings legen archäologische Befunde nahe, dass hier schon im 8. Jahrhundert eine kleine Kapelle aus Holz stand, die im 11. Jahrhundert einem romanischen Kirchenbau Platz machte. Der Kirchturm diente angeblich bereits als Wehrturm der Kusterdinger Schlossburg, sein Fundament stammt sogar noch aus der Römerzeit. Heute hängen vier Glocken in dem Turm, deren Geläute das schönste im ganzen Landkreis sein soll.

Die Sakristei der Marienkirche war vermutlich ursprünglich eine Kapelle der Herren von Kusterdingen. Von denen weiß man seit 1142. Da waren Woltboldo und Rainaldus von Custordingen am 22. April Zeugen, als in Jerusalem ein gewisser Berthold das Heiliggrabkloster Denkendorf stiftete.

Außer einem Kirchturm verfügt Kusterdingen seit 1955 über einen Wasserturm, dessen eindrucksvolle Größe ihn zu einem Wahrzeichen des Ortes macht.

Dem Oberamtsschreiber von 1867 gefiel aber nicht nur die Kirche: „Der große freundliche, von Süd nach Nord in die Länge gedehnte Ort liegt frei und angenehm auf der zwischen dem Neckar- und dem Echazthale sich erhebenden Hochfläche und zwar ganz am Anfange des nordöstlich gegen das Neckarthal ziehenden Ramsbachthälchens. Rings um den Ort gehen schöne Obstbaumwiesen und treten zwischen den stattlichen, etwas zerstreuten Häusern bis an die gut gehaltenen, gekandelten Straßen heran.“

Von diesen „stattlichen Häusern“ sind noch einige erhalten, das älteste davon ist das 1455 erbaute Pfarrhaus. Auch der Klosterhof, von dem eine Zeitlang vermutet wurde, das er zum Pfullinger Klarissenkloster gehörte, ist Teil dieser bäuerlichen Bautradition auf den Härten. 1986 kam das Pfarrhaus in Gemeindebesitz, etwa zehn Jahre später stellte man es unter Denkmalschutz. Nach einer gründlichen, aber behutsamen Sanierung bietet das Haus mit der großen Scheuer und dem Gewölbekeller als Bürger- und Kulturhaus viele verschiedene Nutzungsmöglichkeiten. Andrea Bachmann / Bilder: Erich Sommer