Schicksalhaft im Straßenverkehr

Laut ADFC sind Autos und nicht deren Fahrer in Polizeiberichten die Übeltäter

Anlässlich des Verkehrssicherheitstags richtet der Fahrradclub ADFC einen eindringlichen Appell an die Pressestellen der Polizei. Er fordert eine objektive journalistische Perspektive auf Kollisionen zwischen Auto- und Radfahrenden.

14.07.2021

Laut ADFC verursachen Autofahrer etwa zwei Drittel der Fahrradunfälle. In den Formulierungen der Polizeiberichte tauchten dann die Fahrzeuge als Täter auf.Archivbild: Volker Rekittke

Laut ADFC verursachen Autofahrer etwa zwei Drittel der Fahrradunfälle. In den Formulierungen der Polizeiberichte tauchten dann die Fahrzeuge als Täter auf.Archivbild: Volker Rekittke

Unfallberichterstatter schildern Kollisionen häufig so, als ob die Person auf dem Rad einen Fehler gemacht habe. Die Person im Auto oder Lastwagen bleibt oft nur schemenhaft oder gar nicht zu erkennen. Dieser Blickwinkel verzerrt fast immer die Unfallrealität und vergiftet die öffentliche Wahrnehmung des Radverkehrs, so der ADFC.

ADFC-Pressesprecherin Stephanie Krone sagt: „Unfallberichte der Polizei lesen sich häufig so, als ob auf den Straßen lauter unbemannte Kraftfahrzeuge unterwegs seien, die schicksalhaft Menschen auf Rädern gefährden. In Blaulicht-Meldungen heißt es dann, ein Auto habe eine Radfahrerin ‚erfasst‘.

Ein Junge ‚geriet‘ unter einen Lkw. Wer so schreibt, als wäre das Kraftfahrzeug das handelnde Subjekt, verschont die Person im Auto vor dem Blick des Lesers – und damit vor der Schuldfrage. Unser Appell: Benennen Sie nicht nur, was die Person auf dem Rad tut oder erleidet, sondern benennen Sie die Autofahrerin oder den Lastwagenfahrer – und beschreiben Sie in Aktivsätzen ihr Verhalten vor und während der Kollision!“

Eine westfälische Tageszeitung hatte einen Unfallbericht kürzlich mit der Schlagzeile „Radfahrerin kracht ohne Helm gegen Auto“ übertitelt. In Wirklichkeit aber hatte der Autofahrer der Radfahrerin an einer Einmündung die Vorfahrt genommen und sie angefahren. Der ADFC hatte das auf Twitter als einen besonders krassen Fall der Schuldumkehr und Verschleierung der handelnden Person im Auto kritisiert.

Die Redaktion hat die Überschrift daraufhin geändert und sich für den sprachlichen Fehlgriff entschuldigt. Der Artikel ist aber kein Einzelfall, sondern ein besonders augenfälliges Beispiel eines Massenphänomens. Krone: „Das Nicht-Tragen eines Helmes ist laut einem BGH-Urteil für die Schuldfrage irrelevant. Deshalb hat der Helm in der Headline nichts zu suchen. Falsch ist auch, die Radfahrerin als handelndes Subjekt darzustellen – wenn sie in Wirklichkeit das Opfer des Unfalls ist.

Polizeiberichterstatter müssen klären, wer eigentlich Vorrang hatte. Häufiger, als viele denken, ist es der Radverkehr. ‚Autofahrer nimmt Radfahrerin die Vorfahrt und verletzt sie schwer‘ – das wäre der korrekte Blickwinkel auf diesen Fall. Wenn die Person im Auto oder Lastwagen eindeutig den Unfall verursacht hat, muss diese Information auch in der Überschrift und im Zentrum der Meldung stehen.“

Etwa zwei Drittel aller Fahrradunfälle sind Kollisionen mit Autos. Hauptschuld trägt dabei in den allermeisten Fällen (75 Prozent) der Autofahrer beziehungsweise die Autofahrerin. Die meisten und schwersten Rad-Unfälle passieren allerdings an Kreuzungen und Einmündungen: Zur Kollision kommt es hierbei am häufigsten, weil den Radfahrerinnen und Radfahrern die Vorfahrt genommen wird. TA

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Erstellt:
14.07.2021, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 23sec
zuletzt aktualisiert: 14.07.2021, 01:00 Uhr

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