Aus der Luft und zu Fuß (41)

Mähringen

15.08.2018

Von Andrea Bachmann / Bilder: Erich Sommer

Mähringen

Es gab tatsächlich einmal eine Burg in Mähringen, sogar eine mit einem Wassergraben. Heute erinnert noch die „Burgstraße“ an diesen mittelalterlichen Glanz, die Burg ist bereits vor 1450 verfallen und nur die Reste eines Graben sind noch sichtbar.

Als die Burg noch stand, nannte man Mähringen noch Moringen. Das erste Dokument, in dem das Dorf erwähnt wird, stammt von 1100. Um 1290 verfügte die Reutlinger Familie Bondorfer über alle Herrschaftsrechte. Die „Herderer“, wie sie sich nannten, veräußerten nahezu das ganze Dorf im 14. Jahrhundert an das Kloster in Pfullingen. 1471 gingen schließlich Ortsherrschaft und Oberhoheit an Württemberg.

Damit fand eine alte Tradition ihr Ende: Seit der Stauferzeit verfügte Mähringen über ein sogenanntes „Kirchspielgericht“, eine ungewöhnliche Form der Rechtsprechung bei Bagatelldelikten. Das Kirchspielgericht wurde immer sonn- und feiertags abgehalten, der Richter war immer der Schultheiß. Nach dem Gottesdienst postierte er sich am Ausgang der Kirche und forderte 24 Männer auf, gemeinsam Recht zu sprechen. Daraufhin wurden Nachbarschaftsstreitigkeiten, Beleidigungen und Schlägereien verhandelt. Weil die Rechtsuchenden nicht nur aus Mähringen, sondern auch aus den umliegenden Dörfern kamen, sprach man von einem „zulaufenden Gericht“.

Seit der Eingliederung nach Württemberg gehört Mähringen zum Amt, beziehungsweise nach 1938 zum Landkreis Tübingen und seit 1973 ist das hübsche Dorf auf den Härten in die Gemeinde Kusterdingen integriert.

Die Pfarrei von Mähringen wurde zum ersten Mal 1275 erwähnt. Da stand schon längst eine Kirche im Dorf, vermutlich wurde bereits im 8. Jahrhundert eine gebaut. Die heutige Stephanskirche kann auch auf eine lange Vergangenheit zurückblicken. Ihr ältester Teil – das dreimal abgestufte romanische Portal an der unteren Westwand – wurde vermutlich zwischen 1000 und 1020 gebaut. 1225 besaß diese Kirche schon eine Glocke. Sie gilt als die älteste Glocke im Landkreis Tübingen und wurde in Reutlingen gegossen.

1534 führte Herzog Ulrich die Reformation ein und alle Pfarrer der Umgebung wurden auf das Tübinger Rathaus geladen, wo man ihnen mitteilte, dass sie sich entweder dem neuen protestantischen Glauben anzuschließen oder Württemberg zu verlassen hätten. Ob es nun echte protestantische Überzeugung oder nur Angst vor dem drohenden Jobverlust war, weiß niemand: aber als erster von allen im Rathaus anwesenden Geistlichen erhob sich der Mähringer Pfarrer Schuch.

Heute hat Mähringen 1459 Einwohner, eine Reihe wunderschöner alter Fachwerkhäuser mit idyllischen Bauerngärten und viel ländlichen Charme – nur eine Post, einen Metzger oder gar einen Bäcker sucht man leider vergeblich. Andrea Bachmann / Bilder: Sommer

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Erstellt:
15.08.2018, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 15.08.2018, 01:00 Uhr

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