Aus der Luft und zu Fuß (62)

das moderne Tübingen

23.01.2019

Von Andrea Bachmann / Bilder: Erich Sommer

das moderne Tübingen

Mehr als 1000 Wissenschaftlerinnen und Mitarbeiter aus der ganzen Welt arbeiten auf dem mittlerweile riesigen Max-Planck-Campus in schönster Tübinger Halbhöhenlage. Die Institute sind Teil der über 80 Forschungseinrichtungen der Max-Planck-Gesellschaft, die ihren Sitz in München hat.

Wie können intelligente Systeme wahrnehmen, denken und handeln? Wie funktioniert Wahrnehmung? Wie kann Denken sichtbar gemacht werden? Wie hängen die verschiedenen Niveaus biologischer Systeme zusammen? Wie interagieren Zellen? In den drei großen Forschungseinrichtungen und dem Friedrich-Miescher-Haus zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, in dem in den letzten Jahren über 25 Arbeitsgruppen geforscht haben, wird an hochkomplexen biologischen Fragestellungen in der Entwicklungsbiologie, der biologischen Kybernetik und zu intelligenten Systemen gearbeitet. Entstanden sind diese Forschungseinrichtungen aus den beiden Kaiser-Wilhelm-Instituten für Biologie und Biochemie, die 1943 von Berlin nach Tübingen verlegt wurden und 1948 in der neu gegründeten Max-Planck-Gesellschaft aufgegangen sind. Damals hießen sie noch Institut für Virusforschung, aber schon Ende der 1960er-Jahre verlagerte sich der Forschungsschwerpunkt hin zur Untersuchung der Entwicklungsprozesse von Lebewesen.

Die vielen Mitarbeiter/innen der weltweit renommierten Tübinger Max-Planck-Institute gehören zu den vielen Menschen, die in der „Schwarmstadt Tübingen“ nach einem Platz zum Wohnen suchen. Ein neues Wohnquartier mit rund 570 Wohnungen, 40 Büros und kleineren Betrieben entsteht zur Zeit südlich der Bahnlinie am ehemaligen Tübinger Güterbahnhof. Aus dem früheren Bahngelände sind nicht weniger als zehn Hektar Bauland entstanden, das sich Baugruppen, sozialer Wohnungsbau, private Bauherren und Baugesellschaften teilen. Der historische Güterbahnhof im Zentrum des Baugebietes gehört mittlerweile der Stadt, die Güterhalle und das Verwaltungsgebäude bleiben als Baudenkmal erhalten.

Der Güterbahnhof wurde 1910 angelegt, nachdem der Zugverkehr in und um Tübingen seit 1861 immer mehr zugenommen hatte. Drei Jahre später baute man die Güterhalle mit dem angrenzenden Verwaltungsgebäude und konnte den Güterbahnhof endlich in Betrieb nehmen, der vielen Tübingern als Symbol für Fortschritt und Mobilität galt – etwa zwei Kilometer lang, 140 Meter breit und für damalige Verhältnisse hypermodern. Drei Millionen Mark hatte die Württembergische Staatseisenbahn dieser neue Bahnhof gekostet. Ein Jahr später war Krieg in Deutschland und der Bahnhof diente vor allem als Umschlagplatz für Soldaten und Kriegsgerät. Insgesamt 11 693 Verwundete wurden in Lazarettzügen nach Tübingen gebracht und überall in der Stadt verteilt.

Auch im Zweiten Weltkrieg gehörten vor allem Rüstungsgüter auf die Bahn, die ab 1942 eine Entladekolonne aus 30 russischen Kriegsgefangenen versorgen musste. Um sie besser überwachen zu können, baute man in die Brandwand der Halle einen Beobachtungs- und Schießstand, der jetzt als Mahnmal den Denkmalschutz der Halle begründet. Am 17. April 1945, zwei Tage vor dem Einmarsch der Franzosen, wurde dieser sensible Bereich Ziel des heftigsten Luftangriffs, den Tübingen verkraften musste. Ein großer Teil der Gleisanlagen und etwa 80 Waggons voller Waren wurden zerstört – für viele Tübinger muss es ein Glück im Unglück gewesen sein, wenigstens Rucksäcke voller Kartoffeln, Zwieback und Zucker aus dem Schlachtfeld heraus transportieren zu können.

1989 wurde der Güterbahnhof stillgelegt, längst hatten Lastwagen den Transport von Stückgut übernommen. Seinen letzten Auftritt hatte der Güterbahnhof, als die französische Garnison 1990 Tübingen verließ – da wurden ein letztes Mal Militärgüter auf dem Bahnhof verladen. Andrea Bachmann /

Bilder: Erich Sommer

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Erstellt:
23.01.2019, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 23.01.2019, 01:00 Uhr

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