Der Kommentar

Mit dem Virus rechnen

25.03.2020

Von Angelika Brieschke

Wer hätte das gedacht: Mathematik ist nicht nur was für die Schule, es hat auch was mit dem wirklichen Leben zu tun. Schließlich erfahren wir gerade hautnah, was „exponentiell“ bedeutet und wofür die Beherrschung des Dreisatzes gut sein kann.

Also zum Beispiel für folgende Rechenaufgabe: Wenn wir in Deutschland 28 000 Intensivbetten haben, von denen 80 Prozent sowieso schon belegt sind und von den Corona-Infizierten 5 Prozent so schwer krank werden, dass sie ein Intensivbett benötigen: Ab welcher Anzahl Infizierter wird es dann kritisch mit der Patienten-Versorgung?

Eine deprimierende Rechnung. Noch deprimierender ist es, wie wir gerade lernen, wie sich eine exponentielle Kurve anfühlt – wenn es sich dabei um die Infektionskurve eines gefährlichen, hochansteckenden Virus handelt, der, wenn er nicht daran gehindert wird, von jedem Infizierten aus drei weitere Menschen erobert.

Am Tag 1 der Infektionskurve glauben wir noch an den Osterferienurlaub und buchen irgendwo in Europa eine Ferienwohnung. An Tag 10 gehen wir ohne Bedenken ins Kino und sind entsetzt, wie rigoros Italien seine Bevölkerung maßregelt und alle in Heim-Quarantäne schickt. An Tag 20 ist auch bei uns schon längst das öffentliche Leben lahmgelegt – und dennoch wünschen wir uns zudem eine allgemeine Ausgangssperre herbei, weil irgendwelche Gedankenlosen sich weiterhin in den öffentlichen Parks rudeln. Da möchte man gar nicht wissen, was wir an Tag 40 oder 60 denken.

Aber: Wenn wir an Tag 90 noch über Corona-Witze lachen können, dann haben wir es wahrscheinlich geschafft. Also zum Beispiel über einen Witz wie diesen: „Die Polizei rät: Lassen Sie keine Wertgegenstände wie Klopapier und Nudeln von außen sichtbar im Fahrzeug liegen.“

Zwei wichtige Erkenntnisse haben wir aber jetzt schon gewonnen: Wir Menschen sind soziale Wesen. Viel mehr, als uns wahrscheinlich bewusst war. Das merken wir nun, wo wir versuchen, unsere sozialen Kontakte zu unterlassen. Und zweitens: Endlich haben wir eine Lösung für das ganze Problemholz aus unserem Wald gefunden: Wir verhäckseln das zu Klopapier. In diesem Sinne: Bleiben Sie gesund und BLEIBEN SIE DAHEIM!

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Erstellt:
25.03.2020, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 25.03.2020, 01:00 Uhr

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