Ein kreativer Ort für alle

Neue Ideen entwickeln und neue Produkte präsentieren – darum geht es beim Wechselnden Wilhelm in Reu

08.03.2023

Ein Teil des Teams beim „Wechselnden Wilhelm“ in Reutlingen (von links): Mitgründer Carsten Hutt, Geschäftsführerin Karolina Altenburger und Aushilfe Tom Kurapkat. Bild: Monica Brana

Ein Teil des Teams beim „Wechselnden Wilhelm“ in Reutlingen (von links): Mitgründer Carsten Hutt, Geschäftsführerin Karolina Altenburger und Aushilfe Tom Kurapkat. Bild: Monica Brana

Mitten in Reutlingen holt der „Wechselnde Wilhelm“ im Wechsel Erfinder, Dienstleister, Produzenten und Künstler an einen Ort. Regale und Tische sind mit Waren gefüllt, bequeme Sitzmöbel gibt es auch. Neugierige und Altbekannte sind dem Team willkommen. Der Laden mit wechselndem Angebot ist direkt neben der Marienkirche in der Wilhelmstraße, da wo früher die Löwen-Apotheke war – der Schriftzug weist noch darauf hin. Neulich war der TAGBLATT ANZEIGER hier zu Besuch.

Wie lässt sich der Wechselnde Wilhelm beschreiben? Was steckt hinter der Idee?

Karolina Altenburger (Geschäftsführerin): Das ist nicht nur die sichtbare Verkaufsfläche des Ladens, sondern wir haben hier Vernissagen, Lesungen. Wir bieten niedrigschwelligen Austausch, sind Begegnungsort, für alle offen und ohne Anmeldung.

Produzenten und Künstler erzählen hier die Geschichten zu ihren Produkten und Werken und können diese verkaufen. Im Durchschnitt präsentiert sich hier ein Künstler pro Woche. Außerdem kommen Menschen aus sozialen Einrichtungen her: zum Werken, Nähen oder mit Künstlerinnen basteln.

Vor zweieinhalb Jahren überlegte die Stadtverwaltung, wie man die Innenstadt beleben kann und fragte uns an. Im Team sind wir sieben Personen: drei im Verkauf, eine für die Hochschulkooperation, eine studentische Aushilfe und ich selbst.

Carsten Hutt, (Innovationsmanager und Mitgründer): Wir sind eine Werbe- und Verkaufsplattform. Für Kommunen bieten wir Innovationen und arbeiten dabei mit Studenten zusammen.

Mit Studierenden entwickle ich bei sogenannten Solution Labs schon seit Jahren Ideen für Probleme aus ganz verschiedenen Lebensbereichen. Das Konzept eines Ladens, der unterschiedlich bespielt wird, stammt aus solch einem einwöchigen Treffen, bei dem über die Fachdisziplinen hinweg an Lösungen gearbeitet wird.

Für den Wechselnden Wilhelm gründeten wir eine GmbH, die Werkstatt für Integration und Soziale Innovationen, kurz WISI. Erst unterstützte uns die Stadt bei der Miete, seit diesem Jahr bekommen wir Fördergelder.

Was ist also das Ziel des Wechselnden Wilhelms?

Altenburger: Unser Ziel ist, dass wir einen Raum schaffen, wo Innovation passiert, wo Austausch passiert. Alle sollen dabei auf Augenhöhe agieren. Produkte sozialer Einrichtungen stehen neben denen sozialer Start-ups, der 3-D-Drucker neben der handgemachten Vase. Es kann tatsächlich jeder hier ausstellen.

Hutt: Wir nehmen dabei Fragestellungen aller Art auf, und entwickeln Lösungen für Probleme. Am Ende steht ein Produkt, das sich vielleicht verkaufen lässt. Dazu gibt es Teams von Studierenden und die entwickeln dann Konzepte. Zum Beispiel überlegten sie, wie sich die ausgemusterten Stoffe eines Paragliding-Vereins durch Produktentwicklung weiter verwenden lassen.

Die Studenten lernen, wie sie die Methode des Innovationsmanagements in die Praxis überführen: Sie erkennen den Prozess von der Idee über den Lösungsansatz hin zum Produkt.

Normale Innovationen heißt, dass Produkte und Dienstleistungen am Markt platziert werden. Wir machen aber Social Innovation, das ist die Verhaltensänderung von Menschen, die Gutes für die Gesellschaft bewirkt. Das nennt man den Social Impact, und der ist erst indirekt in Geld abbildbar. Ein Beispiel ist die Sharing Economy, wenn man sich also etwa gemeinsam einen Schlagbohrer anschafft und einmal zahlt, und alle nutzen ihn.

Wer macht mit und mit wem arbeiten Sie zusammen?

Altenburger: Unsere Besucher und Aussteller sind ganz verschieden, und so soll es bleiben. Momentan stellen Künstler aus verschiedenen Generationen aus, die über uns in Kontakt zueinander kamen. Auch zwei Künstlerinnen aus der Ukraine zeigen ihre Werke. Menschen aus Reutlingen und Umgebung, eine Initiative „Schöne gemeinsame Zeit“ der City Kirche und der Katholischen Erwachsenenbildung traf sich auch vor kurzem hier. Wir erleben hier großes Vertrauen, wurden zur Vertrauensinstitution und unsere Netzwerke wachsen schnell.

Alle drei Monate wechseln wir das übergreifende Thema. Aktuell kreist alles um „Mit allen Sinnen“, ab April um „Biosphärengebiet“. Die Themenideen kommen oft von Kunden, aber auch wir überlegen uns welche, und die Studierenden. Durch Internetrecherche finden wir Gründer, und wir nehmen Kontakt zu Gründerbüros an den Hochschulen auf.

Wir wollen uns weiterentwickeln, mit Handwerkern zusammenarbeiten, zwei Künstler anstellen, die verkaufen aber zum Beispiel auch mit den Schulen zusammenarbeiten und im öffentlichen Raum etwas gestalten. Jugendliche aus Reutlingen machten hier bereits ihren Herbstbasar, das wäre ein weiterer Anknüpfungspunkt. Studenten können sich initiativ bei uns bewerben, mit Bedarfen oder mit Lust, für Bedarfe Lösungen zu entwickeln.

Hutt: Es gibt Leute aus den unterschiedlichsten sozialen Schichten, die etwas beitragen. Wir wollen künftig in die Breite der Studierenden reinkommen, mehr junge Leute in die Innenstadt ziehen. Diese soll nicht nur Konsumort sein. Entweder wir ziehen dazu in größere Räume oder wir verändern die Einrichtung des Ladens.

Tom Kurapkat (studentische Aushilfe): Ich habe bei einem Solution Lab in Griechenland mitgemacht, das gefiel mir. Man lernt, in interdisziplinären Teams zu arbeiten. Ich bewarb mich bei Carsten, und seit September bin ich beim Wechselnden Wilhelm.

Fragen von Monica Brana

Der „Wechselnde Wilhelm“ in der Reutlinger Wilhelmstraße 101 öffnet Dienstag bis Freitag 11 bis 18 Uhr, Samstag 10 bis 14 Uhr.

Mehr zu Events wie zum Beispiel dem „Theken-Talk“ für Studierende am Donnerstag, 16. März, 18.30 Uhr, steht online auf www.wechselnder-wilhelm.de.