Treffen zweier Traditionen

Pippo Pollina tritt mit dem Reutlinger Sinfonieorchester auf

Eine Reise über die Fronten von Folk, Pop und Klassik hinweg: Der italienische Sänger und Gitarrist Pippo Pollina gastiert im Rahmen der 7. Kaleidoskop-Reihe der Württembergischen Philharmonie mit dem Orchesterwerk „Fra due isole“ in Reutlingen.

19.04.2017

Pippo Pollina füllt seine Songs gerne mit Anekdoten. Bild: Spieß

Pippo Pollina füllt seine Songs gerne mit Anekdoten. Bild: Spieß

Wenn Italiens bedeutendster zeitgenössischer Liedermacher in die Region kommt, ist Gänsehaut angesagt. Aber nicht nur wunderschöne Melodien, auch intelligente, manchmal freche Texte mit Tiefgang zeichnen die Lieder Pippo Pollinas aus. Ganz in seinem Element ist der engagierte Musiker aus dem sizilianischen Palermo, wenn er seine Songs mit Anekdoten füllt, erklärt, erweitert und ergänzt. Dann gehen Humor und Ernsthaftigkeit eine kongeniale Verbindung ein.

Den einen erinnert seine eindrückliche und ausdrucksstarke Stimme an den jungen Konstantin Wecker – mit dem zusammen er 1993 auch in Reutlingen gastierte –, andere bemühen zum Vergleich gar Georges Moustaki. Jedenfalls spürt man zu jeder Zeit: Dem italienischen Cantautore, der seit vielen Jahren in Zürich lebt, ist es unvermindert ernst mit seinen Liedern, die vom Verschmelzen der Kulturen, von Menschenrechten und Frieden handeln. Viel ist auch von Freiheit die Rede, vom Innehalten und genauen Hinsehen. Und schnell stellt sich bei seinen Konzerten das Gefühl ein, dass Pollina eins ist mit seinen Vorbildern: Schon immer nicht ganz von dieser Zeit gewesen, einer der letzten Romantiker vielleicht.

Bei seinem Auftritt in der Reutlinger Stadthalle wird Pollina nun von einem Sinfonieorchester der Württembergischen Philharmonie unter der Leitung von Massimiliano Matesic begleitet. In dem Programm „Fra due isole“ (Zwischen zwei Inseln) kommt viel Eigenes zur Aufführung, aber auch Arrangements, die das Zusammentreffen von zwei musikalischen Traditionen – italienisches Autorenlied und Sinfonieorchester – widerspiegeln. Natürlich gibt es auch alte Friedenskämpfer-Lieder und neu arrangierte deutsche und italienische Folksongs zu hören, die der Sohn eines Anwalts bereits als Straßenmusiker gesungen hat. Und nicht zuletzt ist das Programm eine innere Verortung zwischen Pollinas beiden „Heimat-Inseln“ Sizilien und der Schweiz.

Pollina, der seine Heimat Palermo im Alter von 21 Jahren verlassen hat, arbeitete als politischer Journalist, engagierte sich in der Antimafia-Bewegung und gründete in den 1980er Jahren seine erste Band Agricantus. Sein großes Interesse an Musik und Politik bildete sich bereits als Kind heraus, nachdem er im Alter von sechs Jahren einen schweren Unfall nur um Haaresbreite überlebt hatte. Jura studierte er nach eigenen Worten vor allem deswegen, um sich als politischer Journalist gegen die Mafia zu engagieren. Erst die Ermordung seines Freundes Guiseppe Fava, dem Chefredakteur der catanesischen Monatszeitschrift „I siciliani“, veranlasste ihn, 1985 seine Heimat zu verlassen und sich als Straßenmusiker auf eine längere Reise durch Europa zu begeben. Der Schweizer Liedermacher Linard Bardill ermöglichte ihm schließlich Ende der 80er-Jahre den Sprung von der Straße auf die Bühne, indem er Pollina einlud, ihn auf seinem neuen Album und bei seiner Europatournee zu begleiten.

Bei seinen Konzerten stellt Pollina jedem seiner Songs eine passende Geschichte voran, versammelt Eigenes und Zitiertes, verblüfft mit einem fast perfekten Deutsch. Gerne ergeht sich der heute 53-jährige Sänger und Multiinstrumentalist auch in philosophischen Betrachtungen, etwa, warum „früher kritische Liedtexte die Menschen mehr angesprochen haben“. Das hört sich sympathisch und ungekünstelt an, so gar nicht nach der eleganten Coolness eines Eros Ramazzotti. Noch in der größten Ausgelassenheit ist der Liedermacher unspektakulär, aber immer unglaublich präsent. Jürgen Spieß

Pippo Pollina tritt am Donnerstag, 4. Mai, um 20 Uhr mit dem Sinfonieorchester der Württembergischen Philharmonie in der Reutlinger Stadthalle auf.