Sich nie überschätzen

Ralph Walz ist Fahrlehrer in Tübingen

Ralph Walz hat seit eigene Fahrschule seit 1996 in der Tübinger Stadtmitte. Es war nie ein konkretes Ziel von ihm, Fahrlehrer zu werden. Mittlerweile ist es eine Berufung geworden.

22.07.2020

Ralph Walz glaubt an die Zukunft seines Berufs. Bild: Dennis Duddek

Ralph Walz glaubt an die Zukunft seines Berufs. Bild: Dennis Duddek

TAGBLATT ANZEIGER: Wie war es für Sie selbst, Ihren Führerschein zu machen?

Für mich war es damals eher abschreckend. Früher wurde in der Fahrschule leider sehr viel mit Druck gelernt. Damals haben viele Fahrschüler/innen das Auto nach der Fahrstunde heulend verlassen. Bei meiner Schwester war es sogar so, dass ihr, wenn sie etwas falsch gemacht hat, der Fahrlehrer mit einer kleinen Stecknadel in den Oberschenkel gestochen hat. Die Methoden waren schon sehr fragwürdig.

Lohnt es sich heutzutage überhaupt noch, einen Führerschein zu machen?

Es wird sich immer lohnen. Einen Führerschein macht man nicht, weil man ihn braucht, sondern damit man ihn hat. Man muss nicht unbedingt ein eigenes Auto haben, es reicht, wenn man jemanden kennt, der es einem mal leihen kann, oder man kann Carsharing machen. Da ist Tübingen mittlerweile sehr gut ausgestattet. Was man aber immer braucht, ist der Führerschein.

Es gibt einen Unterschied bei den Fahrschülern: Heute machen sehr viele den Führerschein, weil man es muss. Wer in Tübingen wohnt, ist im Alltag meist nicht auf ein Auto angewiesen, wir haben hier einen super ÖPNV und man kann alles mit dem Fahrrad machen. Aber man braucht heute eigentlich für jeden Beruf einen Führerschein, somit ist der dann halt Mittel zum Zweck. Wenn man aber auf dem Land wohnt, wo die Anbindung nicht so toll ist, da sind die Fahrschüler/innen von sich aus motiviert, weil sie mit dem Führerschein ein Stück Freiheit bekommen.

Sie bieten Fahrstunden am Simulator an, warum?

Viele Fahrschüler/innen denken, dass sie der schlechteste Fahrer auf der Welt sind. Fehler sind ihnen meist sehr peinlich und sie schämen sich dafür vor anderen. Am Simulator können sie ihre ersten Fahrstunden machen, ohne dass etwas passieren kann und ohne dass jemand dabei zuschaut und eventuelle Fehler sieht. Die Fahrschüler sind also ganz alleine und müssen sich für nichts schämen.

Dazu kommt noch, dass die Simulatoren mittlerweile sehr realistisch sind. Ein weiterer Vorteil ist, dass es keine Anfahrtswege gibt. Wenn man zum Beispiel die Fahrt auf der Autobahn üben will, dann hat man einen Anfahrtsweg, bis man überhaupt dort ist. Beim Simulator stelle ich es vorher einfach ein und der Schüler kann direkt dort starten und Übungen immer wieder wiederholen. Außerdem ist der Simulator umweltbewusster und schont Nerven, denn ich fahre nicht im Straßenverkehr und behindere eventuell andere.

Haben Sie manchmal Angst, wenn Sie mit Fahrschülern fahren?

Ich hatte noch nie Angst bei einer Fahrt mit Schüler. Ich habe drei Pedale, mit denen ich eingreifen kann und kann mit einer Bewegung nach links ins Lenkrad greifen. Außerdem erkennt man als Fahrlehrer den Fehler des Schülers meist, bevor er wirklich passiert und kann somit gefährliche Situationen vermeiden.

Passieren manchmal Unfälle bei den Fahrten?

Es passieren durchaus öfters Unfälle. Doch es kam noch nie vor, dass der Schüler selbst daran schuld war. Die meisten Unfälle passieren auf Parkplätzen, wenn wir zum Beispiel gerade das Einparken üben und einer uns beim Ausparken nicht sieht und in uns hinein fährt. Und auch klassische Auffahrunfälle passieren öfters, wenn die Leute keine Geduld haben zu warten, bis wir vorbei sind.

Haben Sie einen Tipp, den Sie jedem Fahrschüler geben?

Man sollte immer nur das machen, wovon man überzeugt ist und bei dem man sich sicher fühlt. Egal, wer auf einen einredet, was man mal machen soll: Wenn man sich selbst dabei nicht sicher ist, dann sollte man es auch nicht machen. Man darf sich nie überschätzen, das kann sehr gefährlich werden im Straßenverkehr!

Was ist in Tübingen die gefährlichste Stelle für Autos?

Es gibt leider sehr viele. Eine, die ich sehr schlimm finde, ist, wenn man von der Blauen Brücke kommt und rechts in die Wöhrdstraße einbiegen will. Dort ist ein Radweg, der nur sehr schlecht einsehbar ist, außerdem kreuzen die Fußgänger die Fahrbahn und vom Hintermann gibt es meist einen gewissen Druck, wenn der geradeaus fahren möchte. Diese Stelle ist mir ein Dorn im Auge. Allerdings sollte sie bald wegfallen, da ja da eine Radbrücke gebaut werden soll.

Ist Ihr Beruf zukunftssicher?

Ich bin mir sicher, dass der Beruf zukunftssicher ist. Egal, was man für ein Auto fährt, oder was sich in den nächsten Jahren an Technik im Auto etabliert wird – man wird immer eine Erlaubnis brauchen, um auf der Straße zu fahren und dafür braucht man uns Fahrlehrer. Und ich denke auch, dass wir noch weit entfernt sind vom autonomen Fahren. Es ist allerdings sehr wahrscheinlich, dass sich der Beruf in den nächsten Jahren etwas ändern wird.

Interview: Dennis Duddek

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Erstellt:
22.07.2020, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 24sec
zuletzt aktualisiert: 22.07.2020, 01:00 Uhr

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