Aus der Luft und zu Fuß (52)

Remmingsheim

07.11.2018

Von Andrea Bachmann / Bilder: Erich Sommer

Remmingsheim

Remmingsheim liegt im Stäble. Der kuriose geographische Begriff leitet sich von den Schwör- oder Gerichtsstäben der Schultheißen und Vögte ab, die deren Recht auf Rechtsprechung symbolisierten.

Der Ort wird 1111 zum ersten Mal erwähnt und seit 1420 ist für die Kirche ein Petruspatrozinium belegt. Die Kirche selbst ist viel älter, an ihrer Stelle stand bereits ein romanischer Vorgängerbau, von dem nur noch eine Glocke und ein gotischer Palmesel aus dem 14. Jahrhundert erhalten ist, der heute im Diözesanmuseum in Rottenburg steht. Im 15. Jahrhundert kam die Kirche an das Stift Sankt Moriz in Ehingen bei Rottenburg. Unter dessen Herrschaft entstand der heutige Kirchenbau: ein einfaches spätgotisches Gebäude mit einem eingezogenen Polygonalchor. 1535 überließ König Ferdinand dem württembergischen Herzog das Reformationsrecht und ab März 1535 ist in der Petruskirche keine katholische Messe mehr gefeiert worden. Da die Pfarrei aber nach wie vor dem Ehinger Stift gehörte, bot dieses konfessionelle Durcheinander lange Zeit reichlich Konfliktpotenzial.

Den Übergang vom alten zum neuen Glauben sieht man der Innenausstattung an: Vorreformatorische Flammenmalerei im Gewölbe, Blumen, Gräser und Apostelkreuze an den Wänden sowie die drei Schlusssteine des Chores werden ergänzt durch protestantische Kirchenmalerei aus dem 17. Jahrhundert. Unter den Bildern, die biblische Themen darstellen, sind die Namen der Remmingsheimer zu lesen, die die Bilder gestiftet haben – eine Art Bürgerinitiative zur Ausschmückung des Gotteshauses.

Im 19. Jahrhundert wurde der Hopfenanbau zu einer wichtigen Erwerbsquelle in der Landwirtschaft. 1870 gründete die Familie Ohngemach mitten im Ort eine Brauerei, die mitsamt der dazugehörigen Gaststätte 1878 an Julius und Karoline Schimpf verkauft wurde. In den 1920er-Jahren baute die Familie die Hausbrauerei zu einem größeren Betrieb aus, der heute als „Brauerei Schimpf“ bereits in fünfter Generation geführt wird.

Besonders dokumentiert wird die Geschichte des Remmingsheimers Hopfenanbaus im Heimatmuseum, das der Zimmermann Willy Braun schon in den 1970er-Jahren im alten Remmingsheimer Rathaus eröffnete – als erstes Heimatmuseum des Landkreises überhaupt. Nach mehreren Umzügen fand das Heimatmuseum 2013 im Gebäude der ehemaligen Neuapostolischen Kirche eine neue Heimat. Die fast 2000 Exponate werden mittlerweile von Willy Brauns Tochter betreut.

Es ist nicht mehr das einzige Museum in Remmingsheim. Zur 900-Jahr-Feier der Stäblegemeinden wurde der ehemalige Gemischtwarenladen, in dem Walter Glauner bis 1972 hinter der Kasse gestanden hatte, zum Kolonialwarenmuseum eingerichtet. In der Originalinneneinrichtung kann man jetzt Dinge bestaunen, die zwischen 1900 und 1972 dort verkauft wurden: Grundnahrungsmittel und Eisenwaren, Haushaltswaren und Schulbedarf sowie Drogerieartikel. Walter Glauner hatte die „Giftprüfung“ der Drogisten abgelegt und durfte deshalb auch Kölnisch Wasser, Kopfschmerztabletten und Rattengift verkaufen.

„Der Glauner“ war einer dieser Dorfläden, in denen auf ein paar Quadratmetern all das verkauft wurde, wofür man heute einen Riesenmarkt auf der grünen Wiese braucht. Bis in die 1960er-Jahre besorgten Glauners ihre Waren mit dem Motorrad in Reutlingen, Rottweil oder Stuttgart und transportierten sie mit einem großen Rucksack nach Hause.

Die Lebensmittel wurden geliefert, bereits 1908 hatte sich der Geschäftsgründer August Hauser der „Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler im Halleschen Torbezirk zu Berlin“ – der E.d.K. – angeschlossen. Andrea Bachmann / Bilder: Erich Sommer

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Erstellt:
07.11.2018, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 07.11.2018, 01:00 Uhr

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