Aufstieg zu den Sternen

Rundwanderung an den Hängen der Tübinger Nordstadt

Diese interessante und abwechslungsreiche Rundwanderung führt uns durch wunderschöne Wohngebiete an den Hängen der Tübinger Nordstadt und den hochmodernen Technologiepark mit der Sternwarte. Herrliche Ausblicke, lauschige Gärten und verschiedene architektonische Highlights warten darauf, von uns entdeckt zu werden.

15.03.2017

Wer die Haußerstraße hinaufsteigt, wird mit einem Panoramablick auf Lustnau belohnt. Bilder: Spieth

Wer die Haußerstraße hinaufsteigt, wird mit einem Panoramablick auf Lustnau belohnt. Bilder: Spieth

Wir beginnen diese Tour an der Kreuzung Haußerstraße/Mohlstraße und wandern die Haußerstraße bergauf. Hübsche Ein- und Mehrfamilienhäuser mit einigen bezaubernden alten Gartenhäusern wie bei Haus Nr. 37 säumen die Straße. Einige Gebäude im unteren Teil der Straße stammen noch aus der Zeit um 1900, je weiter wir an Höhe gewinnen, desto jünger werden sie. Blicken wir am Anfang der Tour ins Tal, so sehen wir am rechten Ende der Nauklerstraße einen langen Bau mit Mansardendach. Als Deutsches Institut für ärztliche Mission 1909 in Anwesenheit des König Wilhelm II von Württemberg eingeweiht, war es von 1945 bis 1952 Sitz der Landesregierung von Südwürttemberg-Hohenzollern, der Landtag selbst tagte in Bebenhausen.

Auf unserer Wanderung bieten sich immer wieder schöne Ausblicke auf Lustnau und den Österberg. Schließlich erreichen wir auf der rechten Seite ein kleines architektonisches Highlight: die Villa Laub (Nr. 42)

Das 1930 fertiggestellte Domizil ist ein Werk des bedeutenden Architekten Martin Elsaesser. Außen- und Innenarchitektur sind mit der aus mehreren Kuben bestehenden Grundform mit Flachdach ganz dem „Neuen Bauen“ verpflichtet. Elsaesser war ursprünglich Anhänger der konservativen „Stuttgarter Schule“ und hatte sich erst ab 1925 als Frankfurter Stadtbaudirektor mit den neuen Ideen des Bauhauses angefreundet. Die Villa des Missionsdirektors Laub war Teil einer kleinen Villenkolonie im „Neuen Stil“, von denen noch das Nachbarhaus Nr. 44 erhalten geblieben ist.

Wir wandern weiter, und biegen weiter oben nach rechts in den Winkelrain. Der untere Abschnitt der Straße war in den 1950er Jahren ein beliebtes Refugium für Tübingens wachsende anthroposophische Anhängerschar und ihren Architekten Herbert Boese. Der anthroposophisch-inspirierte Bonatz-Schüler Boese baute hier 1950 zuerst sein eigenes und dann vier weitere Häuser entsprechend den Lehren Rudolph Steiners mit organischen Formenspielen unter der Vermeidung rechter Winkel.

Wir folgen der charmanten Wohnstraße mit einigen herrlichen Aussichten bergauf. Ältere Domizile wechseln sich mit modernen Eigenheimen ab. Schließlich erreichen wir beim Kinderhaus Winkelwiese die Haußerstraße. Wir halten uns rechts und gehen ganz oben in der Straße Im Schönblick kurz links. Links von Haus Nr. 79 folgen wir dann dem bergauf führenden Treppenweg. Nach den Staffeln ist der Pfad zunächst asphaltiert, nach einer Wegkreuzung geschottert. Schritt für Schritt erreichen wir den neuen Technologiepark Tübingen-Reutlingen, Deutschlands größtem Gründerzentrum für Biotechnologie. Hier oben in aussichtsreicher Lage haben sich in den vergangenen Jahren zahlreiche junge Unternehmen aus der Bio-, Nano-, Medizin- und der Informationstechnologie in modernen Labor- und Bürogebäuden angesiedelt und die begehrten Baulücken werden von Jahr zu Jahr rarer.

Der Weg führt uns nun in einem Bogen mit herrlichem Blick auf das Neckartal und die Schwäbische Alb zwischen dem Max-Planck-Campus und dem Sicherheitszaun des früheren Friedrich-Loeffler-Instituts FLI (Bundesinstitut für Viruskrankheiten der Tiere) mit zahlreichen Versuchslabors auf der rechten Seite. Das FLI wurde in den 1950er Jahren hier gebaut, nachdem sich die Maul-und Klauenseuche in Westdeutschland massiv ausbreitet hatte und der bisherige Institutsstandort Riems bei Greifswald nach der Teilung zur DDR gehörte. 2011 wurde dieser Standort wieder geschlossen und nach Riems zurückverlegt. Die Fläche wird in den nächsten Jahren neu bebaut werden.

Oben angekommen, wandern wir die Paul-Ehrlich-Straße weiter bergauf und spazieren bald nach links zur Sternwarte (Nr. 70). 1955 bis 1957 für das neu gegründete Astronomische Institut der Universität erbaut, löste sie eine Reihe kleinerer Sternwarten in Tübingen ab. Das Teleskop wurde 1924 von Carl Zeiss Jena für die Privat-Sternwarte von Geheimrat Carl Bosch (1874 - 1940) gebaut. Der berühmte Chemiker, Industrielle und Nobelpreisträger der Chemie (1931) war vielseitig interessiert und besaß bei seinem Haus in Heidelberg eine eigene Sternwarte, in der er viele schlaflose Nächte verbracht haben soll. Nach dem Krieg war Geld knapp und das nicht mehr genutzte Teleskop wurde dankbar vom Tübinger Institutsleiter angenommen. 2003 gab das Astronomische Institut die Sternwarte auf und verkaufte sie der Stadt. Die Astronomische Vereinigung Tübingen bietet hier regelmäßig öffentliche Himmelsbeobachtungen und astronomische Vorträge an.

Von der Sternwarte wandern wir auf der anderen Seite, neben Gebäude Nr. 70/8 über einen Fußweg Richtung Süden und kommen in die Paul-Ehrlich-Straße. Hier halten wir uns links. Vor den modernen Gebäuden der verschiedenen Max-Planck-Institute spazieren wir die Anlieferstraße rechts hinunter. Unten kommen wir über einen Fußweg zu einer Kreuzung, wo wir in die nach rechts unten führende Spemannstraße einbiegen und ihr folgen. In herrlicher Lage reihen sich nun schöne Villendomizile in gepflegten Gärten am Hang der Eberhardshöhe.

Schließlich erreichen wir die breitere Waldhäuser Straße und halten uns links. Nach Querung der Straße Im Schönblick folgen wir bald einem schräg nach links führenden Fußweg, der uns durch eine lauschige Klinge hinunterleitet. Schließlich sind wir in der Straße Im Rotbad angekommen, in die wir links einbiegen.

Dieses beschauliche Sträßchen mit einer netten Mischung aus alter und neuer Bebauung windet sich harmonisch entlang des Südhangs. Immer wieder bekommen wir zwischen den Häusern Ausblicke auf die reizvolle Umgebung. Wir erreichen die rechts abgehende Igerslohstaffel, über die wir mit weiteren herrlichen Ausblicken auf neue und alte Villen mit idyllischen Gärten hinunter in die Mohlstraße gelangen. Unten halten wir uns links und erreichen nach wenigen Schritten wieder den Ausgangspunkt. Arndt Spieth

Tourbeginn- und ende:

Kreuzung Haußerstraße/

Mohlstraße

Bushaltestelle: Mohlstraße

Linie: 6

Tourenlänge: Etwa vier Kilometer

Höhenunterschiede:

Rund 130 Meter

Arndt Spieth hat im Silberburg- Verlag den Wanderführer „Kreuz und quer durch Tübingen“

veröffentlicht.

Die Villa Laub ist ein Werk des bedeutenden Architekten Martin Elsaesser. Außen- und Innenarchitektur sind mit der aus mehreren Kuben bestehenden Grundform mit Flachdach ganz dem „Neuen Bauen“ verpflichtet.

Die Villa Laub ist ein Werk des bedeutenden Architekten Martin Elsaesser. Außen- und Innenarchitektur sind mit der aus mehreren Kuben bestehenden Grundform mit Flachdach ganz dem „Neuen Bauen“ verpflichtet.

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Erstellt:
15.03.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 45sec
zuletzt aktualisiert: 15.03.2017, 01:00 Uhr

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