Schlimmes passiert

Schon als Kind wollte Silke Schick Restauratorin werden. Seit 25 Jahren ist sie selbständig.

14.07.2021

Restauratorin Silke Schick arbeitet gerade an dem Gemälde eines Tübinger Professors. Bild: Böhm

Restauratorin Silke Schick arbeitet gerade an dem Gemälde eines Tübinger Professors. Bild: Böhm

Der würdige Herr in luxuriöser Kleidung guckt streng aus seinem Gemälde. Die Inschrift identifiziert ihn als Georg Burchardt, Tübinger Magister der Rhetorik, der 1590 für eine Professorengalerie der Universität porträtiert wurde. Doch viel mehr ist auf dem stark geschwärzten Bild nicht zu erkennen. Diplom-Restauratorin Silke Schick aus Metzingen entlockt ihm in ihrer Werkstatt nach und nach seine Geheimnisse.

Warum haben Sie sich zu diesem Beruf entschlossen?

Als Kind habe ich eine Dokumentation über die Restaurierung von Rembrandts Gemälde „Der Mann mit dem Goldhelm“ gesehen. Das hat mich nicht mehr losgelassen, von da an war mein Beruf eigentlich klar. Außerdem bin ich als leidenschaftliche Waldorfschülerin auch sehr gerne handwerklich tätig.

Wie kommen Sie an Aufträge?

Ich arbeite viel für die „Staatlichen Schlösser und Gärten“ in Ludwigsburg, für die Denkmalpflege war ich zum Beispiel beschäftigt im Abtsquartier in Kloster/Schloss Salem. Weitere Aufträge kommen beispielsweise vom Tübinger Stadtmuseum, dem Reutlinger Heimatmuseum und dem Pausa-Museum Mössingen sowie von Kunsthändlern und Privatleuten.

Was war Ihr spannendster Auftrag bisher?

Sehr schön war die Restaurierung eines vier Meter langen und 60 Zentimeter hohen Alpenpanoramas vom Samenhändlermuseum Gönningen.

Das wertvollste Bild, das ich restauriert habe, war ein Werk um 1500 von Hans Holbein dem Älteren aus der Grauen Passion in der Staatsgalerie Stuttgart.

Hatten Sie schon mal einen überraschenden Fund?

Ja, tatsächlich. Auf einer angeblichen Kopie nach einem Gemälde von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff mit der Darstellung Friedrich des Großen habe ich die Signatur des preußischen Hofmalers „Antoine Pesne“ entdeckt. Das Gemälde zeigt Friedrich vor seiner Inthronisation. Auch mein Kollege hat da erstmal einen Luftsprung gemacht.

Bei einem Gemälde um 1805 erbrachte die Untersuchung, dass sich unter dem Porträt von Fredericke Dorothea Finckh noch ein älteres Porträt befand.

Wie geht man bei einer Restaurierung vor?

Zuerst begutachtet man den Gesamtzustand von Bild und Rahmen. Bei dem Professorenporträt fällt auf, dass der Rahmen viel jünger ist als das Bild. Da aber auch die anderen Porträts mit dieser Art Goldrahmen gefasst sind, würde man dennoch versuchen, den stark beschädigten Rahmen zu erhalten.

Im Streiflicht sieht man, dass die Leinwand wellig geworden ist und die Malschicht sich vom Untergrund löst. Hier spanne ich nach. Die Malschicht muss wieder gefestigt, also auf die Leinwand geklebt werden. Außerdem gibt es an einigen Stellen unsachgemäße ältere Übermalungen. Die Leiste eines früheren Spannrahmens hat sich durchgedrückt, Flicken wurden aufgesetzt, Teile der Malschicht fehlen. Diesem Bild ist wirklich Schlimmes passiert.

Warum ist auf dem Gemälde kaum noch was erkennen?

Das ist ganz einfach der Schmutz der Jahrhunderte. Angefangen von rußenden Öfen bis zu heutigen Autoabgasen. Das Bild ist aus dem Bonatzbau, dem alten Teil der Bibliothek, wo die Fenster manches hereinlassen.

Wie entfernt man Schmutz?

Ganz vorsichtig beginnt man mit einem Wattestäbchen und klarem Wasser. Dabei löst sich schon einiger Schmutz von der Firnisschicht. Millimeterweise arbeitet man sich voran. Als nächstes folgen Seife aus Olivenöl, dann Gall-, dann Kernseife und schließlich Lösemittel.

Jetzt sieht man, dass der Professor ein Buch in den Händen hält und ein Ring und ein Wappen wird sichtbar.

Ja, so wird ein Detail nach dem anderen sichtbar. Gleichzeitig mit der Reinigung wird auch die Malschicht gefestigt. Das verhindert weitere Schäden. Doch ein Bild von 1590 muss nicht perfekt sein und soll nicht aussehen wie neu. Man bespricht immer mit dem Auftraggeber, wie weit eine Restaurierung gehen soll.

Beim Wappen gibt es Fehlstellen. Doch das Wappen der Familie ist bekannt, so dass man das Fehlende ergänzen kann. Georg Burchardt war ein bedeutender Professor. Es lohnt sich, Mühe für das Bild aufzuwenden. Die Restaurierung dauert etwa drei Wochen.

Interview: Gabriele Böhm